Donnerstag, 31. März 2011

Rot

Rote Tulpen
in der Fensterlücke
dort, wo der Asphalt
zu sterben beginnt
ist schon ganz grau -
diese Straße
liegt voll von
Müll und Missmut
sammelt sich
in den Straßenrissen
den Pflasterritzen
Gedankenpfützen
wenn Worte ertrinken
der Himmel zerschnitten
die Sonne
scheint nichtmal am Tag
Häusergrenzwald
das Gras grüner
dort hinten, am Horizont
dort hinten, hinter den Gitterstäben
schreit ein Kind
irgenwo noch lauter
als die Ampel rot ist
rot
wie die Tulpen
im Paradies

Montag, 28. März 2011

Die Nacht.

Die Nacht ist über die Dächer gefallen
und hat jeden von uns
zum Häftling gemacht.

Die Nacht
ist über die Dächer gefallen
hat die Fenster geschlossen
die Türen verriegelt
die Träume vergittert
die Lichter gelöscht

Die Nacht ist über die Dächer gefallen
und hat jeden von uns
vor Angst stumm gemacht.

Die Nacht
ist über die Dächer gefallen
hat die Münder geknebelt
die Worte erstickt
den Himmel geklaut
die Monster geweckt

Die Nacht ist über die Dächer gefallen
und hat jeden von uns
einsam gemacht.

Die Nacht
ist über die Dächer gefallen
hat die Zeit gestohlen
hat mich ratlos gemacht
Die Nacht.
Die Nacht.
Die Nacht.
Nacht ist, wenn die Stille erwacht.

Die Nacht ist über die Dächer gefallen
und hat jeden von uns
so sterblich gemacht.

Samstag, 26. März 2011

Atem

Traumlos
zieht dein Atem eiskalt
durch die Häuserwüste
und lässt die Fenster beschlagen

Und doch unerkannt bleiben
deine Tränen
zu Tropfen
zu Stille
zu Blut
am Fensterglas

Milchglas jetzt
aus Gedankendunst
Tauwasser gefallen
Ich schreibe Namen
in deine Seele
Namen -
ins eiskalte Glas
Auch Regen auf der Straße.

Und doch ungehört bleiben
deine Schreie
zu Tropfen
zu Stille
zu Blut
vor Einsamkeit

So kalt!

Eiskalt
zieht dein Atem so leer
durch die Häuserwüste -
traumlos.

Donnerstag, 24. März 2011

Grenzsoldat

2 Seiten
unübersehbar
bleibt auch
die Mauer ungebaut
die Grenze ungesichert
spüre ich trotzdem
den Stacheldraht
auf deiner Haut

Grenzsoldat! Warum?

Deine Worte
diese Waffen
Der Mord
noch unbegangen
Bin ich trotzdem schon
getroffen
gefallen
gestorben -
unberührt.

Mittwoch, 23. März 2011

Kampfleer danach.

Diese Stille dröhnt mir noch immer
in den Ohren
das Wort traf tiefer
als es treffen sollte
als ich dich jemals
treffen wollte
die Fröhlichkeit geht vorbei
und winkt gehässig
ich schreie ihr nach
doch der Moment
war schon verloren

Dienstag, 22. März 2011

22.03.2011

Gestern. Nach hause kommen. Nicht allein sein können. Einsam sein.
Schließ die Tür ab. Raus aus meinem Leben. Lasst mich allein.
Allein bin ich ja sowieso. Geht weg. Lasst all die Heuchelei.
Ich will auch nie mehr lügen. Nicht mehr reden. Nur noch schweigen.
Und all die Blicke. Sie töten. Schneiden meine Gedanken. In schmerzhaft kleine Risse. 
Fleisch um Fleisch. Stück für Stück. Schnitt für Schnitt. Ich blute. Reiße Wunden.
In meine Haut. Meine Seele. Mein Fleisch. 
Wo war die Nacht, als ich sie brauchte? Der Tag zu grell. Enttarnt.
Ich will kein Licht. Will nicht sehen. Nicht gesehen werden. Nicht sein. 
Und jeder dieser Blicke tötet. Lasst mich. Lasst mich allein.
Einsam unter Menschen. Anders ist doch immer allein.
Stille zwischen all den Worten. Verletzt mich fast genauso sehr.
Lücken bleiben. Risse in meinen Gedanken. Scherbenwelt.
Der Schein, der trügt. Der Spiegel lügt. Ich lüge auch.
Farbe auf die Tränen. Lächeln auf die Lippen. Asche auf mein Haupt. Maskenbildner.
Ich will fliehen. Weg von hier. Weg von mir.
Will alle Worte hinter mir lassen. Menschen sind anstrengend.
Anders sein tut weh. Ausgelaugt. Und ich bin in mir selbst allein. Ohne mich.
Leere Hülle. Und die Sonne scheint. Scheint durch mich durch.
Mein Herz halbleer. Dünne Haut. Zu dünn. Und doch stahlhart. 
Und alle Türen fest verschlossen. Mein Reich, mein Schloss, meine Festung.
Meine Haut, mein Panzer, mein Exil. Mein Gefängnis. Fest geschlossen.
Lasst mich. Lasst mich allein.
Nach hause kommen. Nicht allein sein können. Einsamkeit. 
Lautlose Tränen. Geschlossene Türen. Verloren. Gestern. Niemals ankommen. Allein.
Zuhause. Und trotzdem keine Wahl. 
Mein Kopf ganz still. Die Maske bröckelt. Die Haut reißt. Blut tropft.
Farbe fließt herab. Salz auf der Zunge. Mein Lächeln im Abfluss. Die Maske ertrunken.
Farblos, was bleibt. Mein Gesicht so leer wie meine Welt. Müde. Blass. Krank.
Gefangen. Ich will allein sein. Ich bin allein, jeden Tag.
Und kann doch nicht fliehen. Nicht vor mir. 
Und nicht vor diesen Blicken. Im Sonnenlicht. Ausgeliefert. Schutzlos.
Dieses grelle Licht zeigt jede meiner Narben. 
Und keine Farbe kann das Blutrot mehr verbergen.
Die Wunden liegen offen. Unverhüllbar.
Wo war die Nacht, als ich sie brauchte?
Wo ist die Dunkelheit, die schützt?
Und nach der Maske, was bleibt? 
Nichts bleibt. Ich bin die Stille. 
Nichts überlebt das gleißendgrelle Licht. Diese Blicke. Diese Blicke töten mich.
Und ohne Farbe schützt mich nichts. 
Nach hause kommen. Nicht zuhause fühlen. Warten. Suchen. Wo ist das Glück?
Nach hause kommen. Alleine weinen. Zusammenbrechen, wieder mal. 
Und wieder am Boden. Lautlose Schreie. Tränen. Und geschlossene Türen hinter mir.
Tränen. Tränen in Gefangenschaft.
Ich fehle mir. Leer. Ich bin in mir selbst allein. 
Und diese Leere ist fast so tödlich wie diese Blicke. Diese Blicke, die ich nicht ertrage.
Lasst mich. Lasst mich allein.
Einsam bin ich sowieso.

Mittwoch, 16. März 2011

Dunkel

Was ist,
wenn deine
Augen sehen könnten
gäbe es Namen
für das Licht
ein Wort für die Dunkelheit
davor und danach

Oder blieben
deine Augen blind
vor Angst?

Freitag, 11. März 2011

thirsty

"He does not know that sickening thirst
That sands one's throat, before
The hangman with his gardener's gloves
Slips through the padded door,
And binds one with three leathern thongs,
That the throat may thirst no more."
(Oscar Wilde) 

Sonntag, 6. März 2011

Immer nur nachts.

Manchmal wandere ich noch immer durch unser Haus. Jeder Raum ein Verbrechen.
Schläge. Schreie. Wut. Hass.
Das Telefon, das viel zu spät klingelt.
Viel zu spät. Vater ist nicht zuhaus.
Um 4. Wie die Zeit vergeht.
Und das Telefon klingelt
Die Schrankwand kaputt. Die Gläser zerbrochen.
Am Abendbrottisch. Und Mutter weint.
Vater in Hamburg. Immer unterwegs. Nie allein. Niemals da.
Mutter weint. Vater trinkt. Konrad schreit. Stefan schweigt. Vater schläft. Mutter arbeitet.
Immerzu. Auch nachts noch, manchmal. Wenn sie nicht schlafen kann. Manchmal jede Nacht. 
Immer nur nachts.
Immerzu. Räumt sie auf. Sammelt sie die Scherben auf. Hält eine heile Welt zusammen.
Der Spiegel lügt. Die Schrankwand bricht.
Die Gläser auf den Boden. Immer nur nachts.
Tische fallen. Stühle kippen. Kerben bleiben.
In den Dielen. An den Wänden. Im Schrank. Im Tisch. Im Stuhl. Unter meiner Haut.
Vater trinkt. Halb 4 zuhause. Halb 5 zuhause. 3 Uhr morgens. Mitternacht. 6 Uhr. Heimkehr.
Heimkehr ohne Reue. Betrunken.
Du riechst nach Qualm. Nach Alkohol und „Titty Twister“. Ich schäme mich. Jeden Tag.
Mein Telefon klingelt. Ich will nicht. Ich will schlafen.
Und Mutter weint allein. Allein wie wir alle.
Vater trinkt allein - mit nackten Frauen. 
Konrad raucht allein - mit Freunden, die keine sind.
Stefan bleibt in seinem Zimmer, Musik ganz laut, die Welt hinaus. 
Mutter weint allein. 
Allein.
Allein wie wir alle.
Immer nur nachts.
Ich halte mir die Ohren zu. Die Augen zu. Dann trete ich raus auf meinen Balkon.
Barfuß. Es ist Winter. Es ist kalt. Schnee unter mir. Ich fühle nichts.
Wind weht. Nimm mich mit.
Kalt. Herrlich kalt. Erinnerungen an unser Haus. Zuhause. Gibt es nicht mehr. Gab es nie.
Nur Kälte. Kälte. Kälte.
Und jeder für sich.
Am Abendbrottisch. Ein Wort gibt das andere.
Kampf. Unerträglicher Waffenstillstand.
Versteckte Drohungen. Schlecht getarnt. Und Lügen.
Das habe ich nie gesagt!“
ICH SCHREIE NICHT. WÜRDE ICH SCHREIEN, WÜRDET IHR WENIGSTENS ENDLICH WISSEN, WAS DAS IST!“
VERKLAG MICH DOCH, WENN ES DAS IST, WAS DU WILLST.“ - „Ich will, dass du glücklich bist.“ - „ACH JA?“
Leise, laut, leise.
Laut, laut, Tränen.
Tränen und Wut.
Nur ihr habt damit ein Problem!“ Rebell.
Mutter schweigt. Vater schreit. Ich schweige auch.
Konrad wütet. „ICH ZÜNDE EUER HAUS AN.“
Jeder allein. Er sagte nicht „unser“ Haus.
Und keiner gehört dazu. Zerrissen.
Mutter weint. Sie ist ratlos. Vater schreit. Er ist empört.
Mutter weint. Sie ist einsam. Vater trinkt. Er ist allein.
Mutter weint. Sie hat aufgegeben. Vater trinkt. Er belügt sich selbst.
Mutter geht. Sie kann es nicht mehr ertragen.
Vater geht. Er war niemals da.
Immer fort. Immerzu. Betrunken. Laut. Fremdgegangen. Gelogen. Immer wieder.
Ich habe sie nie streiten sehen. Unerträglicher Waffenstillstand.
Bitte vergib mir. Ich weiß, ich habe Mist gebaut. Ich will mich ändern. Das kann ich nur mit dir. Gib mir noch eine Chance, bitte, bleib bei mir. Ich kann das nur mit dir.“
Vater winselnd auf den Knien. Die Augen glasig. Die Versprechen leer. 
Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden.
Er hat sich nie geändert.
Anna, bitte bleib bei mir. Geh nicht, ich änder mich für dich.“
Das Bleiben tat jedes Mal weh. Ich habe viel zu spät aufgegeben.
Mutter hat mich nie gewarnt. Ungeschützt.
Vor diesen entsetzlich glasigen Augen. Einraumwohnung
Und ich weine im Badezimmer. „Lass mich rein, bitte, Anna“ 
Ich will schlafen. Ich will Ruhe. Ich will Zeit.
Wie oft bin ich 3 Uhr morgens geflohen. Um 4. Um 5. Halb 2. Halb 1. 
Nachts durch die Stadt.
Nach hause. Wo keiner mehr ist. Mutter weit weg. Justus auch. Stefan in München. Mutter in Amerika. Weit weg. Alle.
Allein. Und ich verliere alle Tränen. Bin nur noch leer. Ich bin mir selber viel zu kalt. 
Gefühllos. Herzlos. Nur Kälte. Kälte. Kälte.
Weil Liebe wehtut. Immerzu. 
Ich kann nicht mehr.