Mittwoch, 21. Dezember 2011

Es ist nie das Schweigen, was wehtut. Es sind die Echos darin.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Aber

Aber das Schweigen, das ist gar keine Wortlosigkeit, denn die Worte, sie fehlen ja gar nicht, sie sind nur kleiner geworden und leichter. Ein bisschen Frühling vielleicht in meinen Gedanken und auf meinen Lippen, male ich damit Spuren auf deine Haut, zum Herz und zurück, damit ich den Weg nicht vergesse und vergesse mich dabei. Doch das Verlieren, das ist gar kein Verlust, dass ist nur ein bisschen mehr du und ohne ein bisschen weniger ich, nur mehr und mehr und mehr sommermorgengelb. Nur meine Hände, die gehen noch nicht immer, wie sie sollen und fassen und halten und warten und manchmal, da fällst du nur einen Augenblick aus meinen Fingern, nur einen Moment lang, einen Moment zu lang, denn meine Hände kennen kein genug. Und manchmal können sie wie ich nicht begreifen und manchmal auch nur nicht verstehen. Dabei habe ich dich nie gesucht und doch immer bei mir, so nah, so unerträglich weit jeder Zentimeter bis zu dir. Und irgendwo in mir leuchten deine Flüsterworte das Schwarz aus mir in die Nacht hinein und in mir bleibt nur deine Wärme. Und diese Stille, die ist gar keine Leere, sie ist nur ein kurzes Innehalten zwischen zwei Atemzügen, zwischen Sehnsucht und dir und mir und dem Bald. Und dieses Schweigen, das ist gar keine Wortlosigkeit, denn die Worte, sie fehlen ja gar nicht, sie sind nur heller jetzt, es sind ja nur meine Augen, die sich an das Licht erst noch gewöhnen müssen, die Worte fehlen ja gar nicht,
das einzige, was fehlt, bist du.

Montag, 5. Dezember 2011

Wiedersehen

Die Augen in Schweigen,
die Hände in Nichts
getaucht, ungefunden
in der Leere

zwischen dir
und mir
und dem Hunger

Suchend deine Finger so rastlos
Verstummend deine Wangen tränenleer

Ein Schritt nach dem anderen, doch:
Ich habe nicht dich, ich habe
den Selbsthass dahinter
dich vorwärtstreiben sehen

Tag
für Tag
für Tag
für Nacht

Doch deine Hände, so viele Waffen sie auch greifen, sie werden
immer einsam bleiben
und schwach,
deine Füße enttäuscht,
so weit sie auch gehen

Und dein Herz
wie dein Bauch
nie mehr voll

Mit tauben Ohren
schreist du dir
Lügen gegen die Stille,
setzt du Messer
gegen den Schmerz

Nacht
für Nacht
für Nacht
für Tag

Die Lippen verriegelt,
die Augen in Schweigen

Dein Lächeln, doch:
Ich habe nicht dich, ich habe
den Hunger dahinter
dich leerlachen sehen

Montag, 28. November 2011

Harboring Black Holes

"Anna Quindlen, in her 2005 short book aptly titled Being Perfect, wrote: 
"Someday, sometime, you will be sitting somewhere. A berm overlooking a pond in Vermont. The lip of the Grand Canyon at sunset. A seat on the subway. And something bad will have happened: You will have lost someone you loved, or failed at something at which you badly wanted to succeed. And sitting there, you will fall into the center of yourself. You will look for some core to sustain you. And if you have been perfect all your life and have managed to meet all the expectations of your family, your friends, your community, your society, chances are excellent that there will be a black hole where that core ought to be."
At the center of most of the young women I now today are black holes. Next to the brilliance, and the creativity, and the idealism is a bubbling, acid pit of guilt and shame and jealousy and restlessness and anxiety. [..] We try to fill these gaping holes with food, blue ribbons, sexual attention, trendy clothes, but no matter how hard we try, they remain. We have called this insatiable hunger by many different names – ambition, drive, pride – but in truth it is a fundamental distrust that we deserve to be on this earth in the shape we are in."

Courtney E. Martin - Perfect Girls, Starving Daughters

Mittwoch, 16. November 2011

Novembermorgen

Erste Sonnenstrahlen fallen durch den Morgennebel. Durch Grau und durch Glas auf dein Gesicht. Milchig gelbe Finger tasten suchend über deine Haut. Zeichnen Netze aus Licht auf deinen Körper. Luft wie Honig. Dein Lächeln zu Gold. Ein sanftes Flimmern in der Stille. Die Zeit vergeht in Herzschlägen. Nur dein Atem. Nur du. Nur dein Atem. Wandert ziellos über meine Wangen, verirrt sich auf meinen Lippen, verfängt sich in meinem Mund. Deine Lider zittern im Nirgendwo zwischen Schlafen und Wachen. Mit meinen Wimpern habe ich deinen Blick eingefangen. Zartbitterschokolade tropft aus deinen Augen in mein Herz. Ich falle in ein Meer aus Dunkelbraun. So tief und so weich. In deine Hände. In dich, nur in dich.

Dienstag, 8. November 2011

Mein zitternder Kopf
in deinen schmalen Schultern
Ich atme luftleer

all die ungesagten Worte
all die ungehörten Schreie
all die ungeweinten Tränen

fast lautlos in dein Ohr,
in deine geschundenen
verwundeten
stummen
Hände

Und du nimmst
mein Herz in den Arm
bis es schweigt.

(Für C., Danke)

Wimpernzittern

Meine Lippen unter Wasser. Nur noch ein Fuß an Land.
Es fallen Worte so wertlos. Und Blicke wie Messer.
Auf mein schneebedecktes Herz. Gedanken zu Eis.
Wimpernzittern, Händeflattern, Pastelltöne.
Die Welt hinter Milchglas.

Münder öffnen sich,
schließen sich,
lächeln und ich --

lächel nicht,
rede nicht,
verstehe nicht.

Verstummt, gelähmt, geleert. Watte statt Worten. Die Augen in Nacht getaucht. Den Mund in Ketten. So wie mein Atem, so wie ich.
Zähneklappern, Lungenbeben, Worteflackern.

Die Zeit tropft zäh in Schlieren über den Asphalt. Fast ebenso grau. Verinnt, verläuft sich. Ich verlaufe mich. In ihr. In mir. Und ertrinke.

Fast spurlos.
"And I can't fall asleep without a little help
It takes a while to settle down
My shivered bones
Until the panic sets

It takes a ocean not to break"
 The National - Terrible Love

Montag, 31. Oktober 2011

Derzeit ist alles ein einziger, ewiger Kreis. Die fast guten Tage, die immer stilleren Tage, die verstummten Tage, die tauben, leeren Tage, die weißen Tage, die grauen Tage, die schwarzen Tage, die Tage im Abgrund und die vielen im Fallen davor. Es ist nur wieder und wieder das selbe.

In meine "Ich bin glücklich"s haben sich erst "vielleicht"s und "eigentlich"s eingeschlichen, bis aus einer Wahrheit eine halbe und schließlich eine Lüge wurde. 

Derzeit weine ich wieder sehr viel. Und ohne das ich jemals wüsste, warum. Ich gehe von Raum zu Raum, ich schalte von Lied zu Lied, ich renne, ich gehe, ich schließe Türen hinter mir. Und wieder und wieder fange ich an, zu weinen. Jeden zweiten Raum, jedes dritte Lied, jeden zehnten Schritt, in Umkleidekabinen und Zugtoiletten, in Hauseingängen und auf dem Boden zusammengerutscht in meinem Zimmer. Mal weine ich leise tropfende Tränen und manchmal so verzweifelt, dass ich fast schreien möchte. Manchmal so tief, dass ich glaube, daran zu ertrinken und manchmal so blass wie ein Spuk. Und jedes Mal denke ich, ich wäre glücklich. Und jedes Mal finde ich mich im nächsten Moment zusammengesunken wieder. Manchmal meine Beine umklammernd vor Angst. Und manchmal mein Gesicht versteckend vor Scham. Ich weine und weine. Auch das Zittern hat wieder begonnen und mein Schweigen. Zwischen der Schlaflosigkeit sind die Albträume wieder da.

Und doch hat sich viel geändert.
Es ist die Krankheit und nicht mein Leben, was mich weinen lässt.
Ich kenne den Unterschied. Noch nicht immer. Nicht oft genug. Aber manchmal. Und dieses "manchmal" lässt mich hoffen.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Mein Herz kennt keine Worte mehr, nur noch einen Namen.

Sonntag, 16. Oktober 2011

Für J.

Ich erinnere mich noch genau an den Blick in deinen Augen, als wir uns zum letzten Mal sahen. Und an die schwachen Arme. Und deine Schritte waren wie abgemessen. Du bist ruhelos durch den Raum geschritten, so als zöge dich eine Schnur durch das Leben. Als wären deine Körperteile einzeln aufgehangen. Als ob jemand aus der Ferne jeden deiner Wege lenkt. Und deine Augen waren so leer gewesen. Und deine Kraft hat nie gereicht. Ich habe dich nie träumen gesehen. Du kennst keine Wünsche, die der Anderen sind schwer genug. Und die Begeisterung in deinen Sätzen, die kam nicht von innen. Von innen kam nur die Zerstörung. Und nach außen warst du immer kontrolliert. Immer akkurat. Jedes deiner Worte wie abgewogen. Und willenlos hast du dich ergeben. Ich habe dich nie leben sehen. Nur funktionieren. Und ich kam nicht bis zu dir. Dein Rücken war so gerade, wie ich nie einen gesehen habe. Und ich habe dich zerbrechen sehen, jeden Tag ein Stückchen mehr. Jeden Tag ein Stückchen weniger. Ich konnte zusehen, wie deine Haut langsam zurückgewichen ist. Wie sie den Knochen gewichen ist, die stärker und stärker hervortraten. Deine Wangen wurden immer hohler. Und dein Herz immer leerer. Dein Blick war verloren. Und deine Sprache schon nicht mehr von dieser Welt. Deine Lippen haben an Farbe verloren, wie dein Leben, wie du. Und wenn ich heute deine Fotos sehe, dann sehe ich noch immer nicht dich. Ich sehe, wie deine Haut so dünn ist, dass ich das Nichts dahinter sehen kann. Ich sehe, wie deine Blicke noch immer ins Leere greifen. Ich sehe jeden deiner Knochen. Jede deiner Rippen. Deine Schlüsselbeine. Und deine knochigen Finger. Ich sehe dein Lächeln. Und ich sehe den Abgrund in deinen Augen. Deinen tiefdunklen Augen, die keinen Boden kennen. Und ich sehe und stehe machtlos daneben, nicht einmal daneben, denn dafür ist die Weite zu groß. Und deine Welt ist noch immer die gleiche. Und du kannst mir schreiben, es gehe dir gut. Du kannst lachen und du kannst lügen. Und du kannst mir deine Träume in all den Farben beschreiben, die du nicht kennst. Aber ich kann das Leid sehen. Es ist eingraviert in deinen Körper. Es zeichnet jeden deiner Züge nach. Es liegt in jeder Geste. In jedem deiner Schritte, die du kraftvoll setzt, mit deinen viel zu schwachen Beinen. Auf diesen Boden, der Nachts nur aus Löchern besteht. Und du schlägst niemals auf, solange du fällst. Du hast den Grund noch nicht erreicht. Und vielleicht fällst du einfach weiter, immer weiter, durch die Zeit und durch diese Welt. Ich kann dich sterben sehen. Und ich komme nicht über das sehen hinaus. Ich bin zu weit weg, viel zu weit weg, schon immer gewesen. Und die Anderen, sie sind vielleicht zu nah um nicht blind zu sein.

Samstag, 15. Oktober 2011

Wir schweigen. Und ich komme nicht durch die Stille bis zu dir. Und in den Versuchen scheitere ich. Denn in den Bruchstücken, die ich dir reiche, kannst du nichts finden. Und ich brauche die Musik in den Ohren um zu überhören, wie mein Herz unter jedem deiner Blicke ein wenig kleiner wird und ein wenig ärmer. Und wir schweigen. Und ich will nicht den Schutz brauchen, den ich um mich trage. Denn an manchen Tagen tut es nicht weh. Und du sitzt neben mir. Und ich will fliehen. Und kann nicht aus mir heraus. Und es braucht alle Kraft, um von mir weg zu halten, wie deine Worte langsam entwerten, was ich liebe. Langsam die Bruchstücke zertreten, die ich dir wieder und wieder reiche. Und du lachst, während ich in mich hineinkrieche. Und verletzt mich im Vorübergehen. Und dabei so tief, dass es Stunden, manchmal Tage, manchmal sogar Wochen dauert, bis ich langsam wieder heile. Und du lachst, während meine Augen erst glasig werden und dann zu Eis. Und ich kämpfe darum, die Haltung zu wahren. Und ich kämpfe um jeden Schritt in deine Richtung. Und muss wieder taub werden, um zu vergessen, wie viele Schmerzen dieser Kampf bedeutet. Um nicht in die Stille zurück zu fliehen. Wir schweigen. Und manchmal ist es besser so.

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Dass es einen Weg zurück gibt.
Dass ich ihn manchmal ein Stück weit gehe.
Dass du mich berührst, wenn mich nichts berührt.
Dass du mich zurückholst, wenn ich mich in diesen Weiten verliere.
Dass ich bei dir nicht stark sein muss, wenn ich es nicht bin.
Dass es mir bei dir nicht weh tut, ich zu sein.
Dass es Momente gibt, in denen der Kampf endlich aufhört.
Dass ich wieder Luft holen kann.
Und manches an Kraft mit in den Tag retten.
Das ist Hoffnung.

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Verloren

Ich sitze eingeklemmt zwischen Rucksäcken und Menschen. Die Worte und das Gepäck drücken langsam und in Schüben auf meine Brust. Ich atme flach und verstumme. Ich bin im Nirgendwo zwischen den Sekunden. Ich bin irgendwo stehen geblieben. Unterwegs auf halber Strecke. Zwischen mir und den Anderen liegt eine Eiswüste, die weit über die Grenzen des Horizonts geht. Ich bin irgendwo dazwischen. Zwischen Menschen, zwischen Blicken, vielleicht auch nur zwischen Stühlen. Und irgendetwas hat mich weit weg von hier geholt. Ich schwebe irgendwo im Nichts. Treibe im Meer ohne Wellen, ohne Wind, ohne Klang. Und unauffällig, unmerklich gleite ich aus mir heraus. Hinein in die Stille. Ich höre und verstehe nicht die Worte, nicht die Witze. Und sie lachen. Und ich sehe aus dem Fenster. Und meine Blicke gehen über die Grenzen dieser Welt. Und verlieren sich. Ziellos, verirrt. Nirgendwohin. Und sie reden. Und ich verschwinde ganz langsam und leise. Und werde allmählich unsichtbar. Mit jedem Atemzug. Mit geschlossenen Lippen. Mit schleichenden Schritten flüchte ich. Nur wohin? Wohin? Denn diese Einsamkeit nehme ich überall mit hin. Ich trage sie wie einen Mantel. Oder einen Käfig. Und sie friert mich ein, bis ich taub genug bin, die Kälte nicht mehr zu spüren. Bis ich auch die Wärme nicht mehr spüre. Es mag sie geben. Irgendwo da draußen. Und mir bleibt nicht mehr als ein paar Atempausen. Und sie lachen. Und ich sitze unter ihnen, als gehörte ich dazu. Und sie reden. Und ich fühle mich falsch in dieser Stadt, in dieser Welt, in dieser Haut. Und meine Blicke verfehlen den Gegenüber. Und die Worte treffen nicht meine Ohren. Meine Welt ist wieder sauber abgetrennt von der der Anderen. Ohne Brücke, ohne Steg, nur endlose Gletscher. Die Welt, eure Welt, perlt an mir ab. Ohne jede Berührung, ohne Spuren zu hinterlassen. Als wäre ich schon kein Teil mehr von ihr. Vielleicht bin ich heute kein Teil von ihr.

Sonntag, 2. Oktober 2011

Hohl in meiner Haut

Schlohweißer Tag - Du bist so jung ergraut
Schlohweißer Tag - Ich fühl mich hohl in meiner Haut *
Vorgestern, gestern, heute, bergab. Ja, seit Freitag geht es wieder mehr ab als auf. Ich weiß nicht warum, wie lange und vor allem wohin. Die letzten beiden Tage sind irgendwie an mir vorbeigegangen, ohne mich zu berühren. In der Leere manchmal Tränen, zu beliebigen Liedern. Tränen, die sich wie Lügen anfühlen. Schon auf der Haut zu warm, um zu mir zu gehören. Ich bin wie erfroren. Eiskalt durch und durch. Mein Herz zu Stein. Nichts zählt. Es ist alles entsetzlich anstrengend. Es ist nicht schön, es ist nicht schlimm, es ist anstrengend. Ich warte. Die Taubeit lähmt mich. Ich warte. Zum Kämpfen bin ich zu schwach. Ich warte.

*Silly - Schlohweißer Tag

Weiß

Ich starre auf meine Hand.
Ich starre an die Decke.
Ich starre in den Spiegel.
Und auf die blasse Haut.

Und das Weiß ist wieder überall.
Ich sehe nicht die Farben.
Ich höre nicht die Töne.
Und auf der Zunge liegt nichts als die Leere.

Ich kann sie schmecken.
Ich kann nichts als sie schmecken.
Ich kann sie hören.
Ich kann nichts als sie hören.
Ich kann sie fühlen.
Ich kann nichts als sie fühlen.
Ich kann nicht fühlen.

Gestern, heute, lass sie vorüberziehen.

Ich starre auf die Hand, die leise zittert.
Ich starre an die Decke, die langsam bröckelt.
Ich starre in den Spiegel, der knisternd aufbricht.
Und auf die Haut, die langsam reißt.

Und das Weiß ist überall.
Überall, wo nicht das Schwarz ist.
"In the morning,
When you wake up
Daytime fades up
And your make up runs,
Just hold on

It sounds tacky,
but I'm hopeful
There's a reason
That the world turns round,
Through silent sound

Set the dark on fire
Set the dark on fire"
Turin Brakes - Dark on Fire

Donnerstag, 29. September 2011

Ich bin müde vom vielen Kämpfen.

So weit, wie ich rennen will, tragen mich meine Beine nicht mehr. 
Diese zittrigen, unnützen Dinger. Diese wackeligen Stelzen, die schon lange verlernt haben, aufrecht zu gehen. Die unter meinem Gewicht schon fast zusammenbrechen. Und ich bin weich, nicht nur in den Knien. Und müde vom vielen Kämpfen. So schwach, ich bin so schwach geworden. Und jeden Tag aufs Neue. Trage ich im Kopf das Wielangenoch. Und kämpfe mit nichts als diesen leeren Händen. Um oben zu bleiben. Nicht das Oben in den Sternen, das Oben mit den Nasenlöchern über der Wasserkante.

Mittwoch, 28. September 2011

Wer schickt mir Sonne?

Eine Sonnenblume sieht vorsichtig durch den Schlitz des Briefkastens. Gehüllt in braunes Papier. Es lag kein Zettel dabei. Kein Name, keine Erklärung. Wortlos, unerklärlich. Nur das Sonnengelb der Blume. Und der starke, grüne Stengel. Kraftvoll, mühelos. Der Sommer ist noch nicht vorbei. Er ist in jedem dieser Blütenblätter. Eingefangen, aufgefangen. Keine Briefmarke. Es kann nicht lange her sein. Du musst vor meiner Tür gestanden haben. Als ich nichtsahnend in der Küche saß. Den Rücken zum Fenster. Den Tee in meiner Hand. So wortlos. Eine Sonnenblume. So leuchtend gelb. Wie warme Sonnenstrahlen in das Grau dieser Stadt. In mein Dunkel. Und wärmen mich bis unter die Haut.
Wortlos. Unerklärlich. Wer? Wer schickt mir Sonnenstrahlen?

Erstgespräch

"Sie haben viel Stärke in sich. Sie haben eine Anorexie überstanden, darauf können sie stolz sein. Glauben Sie mir, Sie können auch das schaffen. Wenn ich Ihnen das noch mitgeben darf: Glauben Sie an sich."

Montag, 26. September 2011

deinen Blick im Nacken
in den Händen mein Herz
und es war nackt bis auf die Worte
vorsichtig, zögerlich

bis deine sanft geschwungenen
innerlich verbitterten
risslos und doch zerrütteten
Lippen

zertraten, als ob es Füße wären
im Marschschritt deine Armeen
ich stehe unbewaffnet
zerreißt ein Schuss
die Stille, meine Rippenbögen

sie knirschen und knistern
beim Bersten wie Eis

Freitag, 23. September 2011

"The clouds methought would open and show riches
Ready to drop upon me, that when I waked
I cried to dream again."
Caliban in The Tempest - Shakespeare, Act III Scene 3
Heute war mein erstes Gespräch.
Es werden noch viele folgen.
Ich habe ein gutes Gefühl.
Ich sehe einen Weg.
Hoffnung.

Donnerstag, 22. September 2011

In meiner Welt allein.

Ich bin in die Stadt gegangen. Ein wenig geflohen, ein wenig gerannt, ein wenig hin- und ein wenig weggesehen. Und bin blind und taub durch die Straßen gewandert. Und bin manchmal fast gestolpert, fast gefallen, ja, manchmal bin ich so entsetzlich wackelig durch und durch. Von den Beinen bis in die Gedanken hinein. Dann bin ich über den weiten Platz und unter der Sonne hindurch getaucht. In das Meer aus Gesichtern und habe mein eigenes dabei wohl verloren. Dann über die Schienen, dann über die Straße, dann unter dem Bogen. Und ich bin geflohen, gehend, wegsehend, wegwehend. Und bin nur zum Luftholen in der Kabine kurz wieder aufgetaucht. Rot, Violett und Blau, das waren nie meine Farben. Und übrig bleibt nur das Schwarz und das Weiß. In meiner Hand, an meiner Haut, in meiner Welt. Und mein Gesicht war so blass, im Spiegel habe ich es kaum erkannt. Dann raus, dann weiter, ohne Ziel, aber mit Musik. Und deinen Worten im Ohr, egal wie laut, sie waren immer lauter, immer lauter, immer weiter. Wie Wasser in der hohlen Hand. Wie Wasser. Und meine Hand ausgestreckt, eingefaltet, am Ende immer leer. Wie Wasser. In einer anderen Welt. Wo man nichts retten kann. Ich bin wie Wasser. Wie Wasser. Wo ist mein Meer? Und die Stille. Und die Distanz. Die Stille. Zwischen mir. In mir. Zwischen mir. Und dir. Und der Welt. In manchen Momenten ist das fast unsichtbar. Die Stille. Unerbitterlich. Eisern. Und in anderen ahnt man, das hinter der Wand nichts besser ist. Aus Glas nur, es ist nur Glas, nur Glas, nur Glas .. . Ich will schreien, so laut und dieser Schrei, der soll bis in deine Welt. In die Welt der anderen. Diese stillen Nächte. Die Stille und die Weite. Der Schrei soll all die Wände durchbrechen. Ich will sie alle niederreißen. Jedes Glas, jede Wand und diese unendliche Leere. Ich will durch all dieses Weiß. Zu mir, zu dir, zur Welt. Und meine Tränen spiegeln sich in dem Glas. Ich seh dich verschwommen. Dich festhalten, dich irgendwie in dieser Welt halten. Und ich sehe mich um. Gesichter, Menschen, Fragen, Münder, Lippen. Augen, Wind, geschlossen, Meer. Wie Wasser. Nur wohin? Versickernd, verlaufen, verschwommen. Verrinnend. Mein Schrei erstickt. Kein Ton über diese Lippen aus Eis. Über diese Gletscher. Über mich. Kein Ton. Ich renne und renne. Kein Ton. Kein Ton durch diese Stille.

Mittwoch, 21. September 2011

And if the perfect spring is waiting somewhere - just take me there.

"Into these twisted months I plunge without a light to follow
but I swear that I would follow anything,
just get me out of here."
Bright Eyes - If Winter Ends

Dienstag, 20. September 2011

Zittergedankengewitter.

In mir ist es unruhig. Ich sehe raus, ich sehe auf meine Hand. Draußen wehen Blätter, hier drinnen meine Finger. Unruhig hin und her, auf und ab. Einen Satz zu schreiben kostet höchste Anstrengung und mindestens vier oder fünf Anläufe.  Irgendwo in meiner Brust ist irgendetwas, oder vielmehr ist nichts. Meine Hand zittert, mein Herz zittert, ich zittere. Ganz leicht nur, fast unmerklich. Nicht zu übersehen. Mein Fuß wankt unschlüssig auf und ab. Auf den Beinen stehe ich nur ganz wackelig. Es geht mir nicht schlecht. Es geht mir nicht gut. Mein Kopf ist ganz voll. Und eigentlich ganz leer. Ich zittere. Innerlich. Äußerlich.

"Anna, deine Hand zittert."
"Oh, was, oh, stimmt."
"Anna, ist alles in Ordnung?"
"Ja, sicher, wieso?"
"Weil du so unruhig bist."
"Bin ich das?"
"Dein Bein."

Ich zittere. Das waren deine Worte gewesen. Und ich habe den Tee in meiner Hand gehalten. Und getrunken. Und mich leise abgewendet. Ganz stumm habe ich in meinen Tee geblickt. Und du in deinen. Und dann hast du mich angesehen. Und ich habe mein Bein angesehen. Habe versucht es still zu halten. Und mit einer Hand ist es doch wieder passiert. Dann hatte ich Blut an den Fingern. Denn ganz unmerklich, so ganz unmerklich habe ich wieder fast Verheiltes aufgekratzt. Heute bist du nicht da. Heute zittere ich allein. Und denke an deine Worte. Ganz leise. Ganz sacht. Und wie ich versucht habe, es zu verbergen. Und es nicht geschafft habe. Nicht einmal einen Abend lang. Und du hast mich angesehen, ganz mitleidig. Und ich, ich habe gezittert. Mit abgewandtem Gesicht. Und habe meine Haare über meine Augen fallen lassen. Und den Schatten über meinen Mund.

"Anna, ich würde dir gerne helfen. Und wenn du mal wieder Zeit hast, ehrlich, ich freue mich. Ich bin so erleichtert, dich endlich mal wieder zu sehen. Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich habe schließlich drei Wochen lang nichts von dir gehört."

Ich zittere. Ich zittere. Meine Knochen schlagen aneinander. Klackern leise über die Tastatur. Mein Herz pocht atemlos. Die Gelenke knarzen leise. Leise und stetig. Mein Fuß hält nicht still. Ich halte ihn still. Halte mich still. Atemlos. Zittere ich innerlich weiter. Kann nicht sagen. Nicht sagen. Ist das Angst? Ist das Stille? Weiß nicht. Ich weiß nicht. Ich merke nur. So unruhig. Gedanken kaum zu fassen. Springen. Von Ort zu Ort. Sehnsucht. Und dann ein Zucken. Nur dieses Ziehen. Sehnsucht. Ich bin unruhig. Nicht mehr und nicht weniger. Und das so sehr, dass es fast wehtut. Aber es geht mir nicht schlecht. Ich würde nur gerne wieder atmen. Luft holen. Doch dazu komme ich nicht.

"Wie ist es eigentlich für dich, unterwegs zu sein?"
"Inwiefern?"
"Jetzt, wie geht es dir?"
"Ich weiß nicht. .. Ich bin.. unruhig. Es ist schwer. Es ist anstrengend."
"Was ist anstrengend?"
"Ich.. ich weiß nicht."

Meine Hand. Wandernd, taumelnd, stolpernd. Meine Gedanken mehr Blitze als Worte, als Sätze, als Texte, als Sinn. Zitternd, wie ich. Das Loch in mir ist wieder da. Heute ganz groß. Kurz unter dem Herzen. Kurz über dem Bauch, auf den ich hören soll. Eingeklemmt irgendwo zwischen den Lungenflügeln. Antreibend, forttreibend. Sehnsucht. Atemlos, Atemnot, Stillstand. Ich zittere. Ich zittere. Ganz plumb meine Finger. Ich schnappe nach Luft. Mit den geöffneten Händen fast mehr als mit dem Mund. Unzusammenhängend. Mein Bein schlägt auf und ab. Mein Knie zittert. Zittert. Ich zittere. 

"Du siehst heute wieder so schick aus. Ach, das sieht so schön aus, ehrlich. Ich freue mich so, dich endlich mal wieder zu sehen. Ach, Mensch, du siehst fabelhaft aus!" 

Meine Lippen fest geschlossen. Mein Gesicht bedeckt. Noch immer traue ich mich nicht ungeschminkt aus dem Haus. Das Loch weitet sich. Zieht sich wieder zusammen. Zieht mich zusammen. Ich habe vergessen, wie man weint. Ich schnappe nach Luft. Mein Gesicht verzerrt sich, verirrt sich in seltsamen Masken. Ich starre in den Spiegel mit meinen leeren Augen. Und den blassen, schmalen Lippen. Tag für Tag werde ich weißer. Wird meine Haut kahler. Manchmal habe ich Angst. Morgens, wenn ich in den Spiegel schaue, manchmal. Weil es so leblos aussieht. Leichenhaft. Und jeden Tag blasser. Ich schlafe. Eigentlich. Ich schlafe. Und wache auf. Und mein Kopf ist schwer. Mein Kopf ist leer. Mein Kopf ist beides. Alles ist manchmal vielleicht einfach zu viel. Dann vergesse ich einfachste Sachen. Dann fallen die Dominosteine, Stück für Stück für Stück. Bis alle Stricke reißen. Marionette. Bruchstücke. Mein Bein zuckt. Schnitt. Leere. Wie taub. Ich sitze. Ganz aufrecht. Und halte den Tee in meinen Händen. Wie heute, wie damals, wie immer. Presse ich die Finger an die Tasse und die Tasse an den Mund. Fahre durch meine Haare. Meine Lippen sind ganz trocken. Meine Haut auch. Spannt so sehr.

"Du schläfst nicht besonders gut, oder?"
"Ich schlafe wieder durch, meistens."
"Ja, aber du schläfst nicht gut,.. oder? Wachst du erholt auf?"
"Ich wache müde auf."
"Man sieht es dir an, weißt du? Morgens, man sieht es dir an, 
wie schwer es ist."

Und ich lächel und nicke. Und ich zittere. Und habe vergessen, wie man weint. Ich japse nur, ganz leise. Nach Träumen und Luft und dir vielleicht. Sehnsucht. Und bin ganz wackelig auf den Beinen. Kann mich kaum halten, schwanke. Ich will nicht. Mein Gesicht krümmt sich wie mein Rücken, so sehr. Meine Haut reißt fast. Sie ist fast wie Papier, so weiß. Irgendetwas fehlt. Farbe, vielleicht. Oder Leben. Oder Tränen. Ich zittere. Wann habe ich das letzte Mal geweint? Gar nicht lange her. Ein paar Tropfen. Erstickte, einsame. Zu irgendeinem Lied in irgendeiner Nacht. Und davor? An irgendeinem Tag zu irgendeinem Bild. Manchmal vor Scham und manchmal vor Hass. Aber immer nur dieses erstickte Krächzen. Bei dem man sich ganz zusammenzieht. Aber nicht zusammenbricht. Bei dem man fast fällt. Aber sich nicht fallen lässt. Irgendwann, irgendwie. Alles verschwimmt. So lange und so allumfassend. Bis nichts bleibt in mir. Außer dem Zittern und dem "Ich weiß es nicht". Tränenlos. Nur noch nach Luft schnappend. Atemlos, Stille, Nichts. Ich zittere. Sehnsucht.

Und dieses Loch in mir, manchmal trägt es deinen Namen.

[Auszüge aus Gesprächen mit M., S., und V.]

Hoffnung und Mirtazapin.

Die letzten Tage waren angenehm.

Gestern bin ich zum ersten Mal seit gefühlten Ewigkeiten mal wieder Rennen gewesen. Und es war wunderbar. Außerdem will so ein Mielitz-Trikot auch gezeigt werden. Und da das im Normalfall immer wie eine Demontage unseres ersten Torwartes wirkt und das gewiss nicht meine Absicht ist, war der Zeitpunkt natürlich perfekt. 
Nun ja, wie dem auch sei.

Eigentlich wollte ich ja nur mal kundtun, dass es auch gutes aus meinem Leben zu berichten gibt. Insbesondere die letzten zwei, drei Tage. Sicher, das morgendliche Aufwachen hat noch immer etwas von Wiederauferstehung nachdem man von einem Laster überrollt wurde. Die Kopfschmerzen und dass ich mich dann immer erst einmal wie gerädert fühle, das zähle ich aber alles zu den Nebenwirkungen meines Medikamentes. 

Und die andere Wirkung meines Medikamentes sind da schon deutlich angenehmer: Ich schlafe wieder. Die letzte Nacht war wieder eine eher zerstückelte, aber ich habe davor auf eine Reihe von Nächten zurückblicken können, in denen ich relativ zusammenhängend geschlafen habe. Ich wache immer noch manchmal nachts auf. Ja. Schon. Ich habe immernoch manchmal Probleme damit, einzuschlafen. Dennoch ist der Unterschied zu vorher gewaltig. Und seitdem ich das Medikament nehme, habe ich keine Angstattacke mehr gehabt. 

Auch bin ich nicht mehr zitternd und bebend nachts aufgewacht. Es gibt sie noch, die Albträume. Aber sie sind nicht länger mehr als das, als Träume, als Spukgespenste - die enden, wenn man aufwacht. Und das ist so verdammt viel wert. Ich muss nicht mehr nachts meine Beine umklammern, wenn ich plötzlich panische Angst habe. Ich weine mich nicht mehr in den Schlaf. Und ich schalte nicht von Panik geschüttelt das Licht an, aus Angst, wirklich inmitten von Kakerlaken zu sitzen oder von Maden oder ach, was weiß ich alles. Und wenn ich aufwache, dann war es alles nur ein Traum. Nur ein Traum. Und es hallt nicht mehr endlos in mir nach. Ich muss nicht mehr meine Füße umklammern, nur um zu wissen, dass es sie noch gibt. Es ist so viel besser, jetzt.

Und dass ich schlafen konnte, dass ich rennen gehen konnte, dass ich Klavier spielen konnte, dass ich mal wieder seit langem Lesen konnte. Das ist so wundervoll.
Und das musste einfach mal gesagt werden.

Ich bin noch nicht da, aber ich kann den Weg endlich sehen.
Ich bin unterwegs. Und die letzten Tage haben mir gezeigt, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Und das ist so viel Wert. Ich habe wieder Hoffnung. Nicht fremde, sondern eigene.
Meine ganz persönliche Hoffnung, wiedergefunden. Schön.

Montag, 19. September 2011

"Ich fühle etwas,
das
vielleicht
nicht da ist -

Vielleicht
fühle ich etwas
nicht,
das da ist - "
Flederzombie

Sonntag, 18. September 2011

Die Liebe, die einem niemand geben kann. Die eigene.

Das gute Mädchen.

Ich war immer beliebt. Von klein auf das gute Mädchen. Das, was nie Ärger gemacht hat. Das, was immer lieb war. Das, was denen ihres Alters immer ein Stückchen voraus war. Das kleine Mädchen, was den anderen im Kindergarten Märchen vorgelesen hat. Was immer hilfsbereit war. Und das man nie herumwüten gesehen hat. Das, was den anderen Kindern die Schuhe zugebunden hat. Das, was schon rechnen konnte. Das, was immer fröhlich war. Was immer gelächelt hat. Und für jeden Spaß zu haben war. Ich war auch das Mädchen, das im Kindergarten schon mehrere Ehemänner zur Auswahl gehabt hätte. Ich war hilfsbereit. In meinem Grundschulzeugnis stand außerdem noch "aufgeschlossen" und "selbstbewusst" und "bei ihren Klassenkameraden sehr beliebt".

Ich war ein liebes Kind. Vielleicht war es auch das, was du so an mir gehasst hast. Denn ich hatte nie mit dieser Welt zu kämpfen, die dir so hart und ungerecht erschien. Ich hatte nie Probleme, bin nie angeeckt. Mir fiel so vieles leicht, wofür du hart kämpfen musstest. Und mir fiel vieles einfach in den Schoß, was du nie bekommen hast. 

Ja, ich war lieb. Und geweint habe ich immer allein. Denn ich war nicht nur offen. Es gab auch diese andere Seite, die ungeteilt bleiben musste. Die geweint hat, die schwach war, die Angst hatte. Die zu stolz war, ihre Angst zuzugeben. Die klaglos hingenommen hat, was man ihr gab. Die sich nicht getraut hat um etwas zu bitten. Die nicht nehmen wollte. Die Angst hatte, etwas zu brauchen. Etwas brauchen zu müssen. Die nicht fragen konnte, die nicht sagen konnte, wenn ihr etwas gefehlt hat. Aus Angst, undankbar zu sein und gierig. Die Angst hatte, wütend zu werden. Die nie so werden wollte. So laut, so wütend, so voller Hass auf die Welt. Die Angst hatte, schreckliche Angst. Die geweint hat. Die sich gefragt hat, warum sie nicht gut genug sein konnte. Warum sie nie genug war. Die nicht verstehen konnte, dass es nicht an ihr lag. 

Die einfach zu klein war. Zu klein und zu wehrlos. Hilflos. Man könnte auch sagen: loyal. Denn ich habe nie Hilfe geholt. Ich hätte welche bekommen. Habe nie geschrien. Habe nie gepetzt. Habe nie zugegeben, dass ich Angst hatte. Und dass es mir wehtat. Dass ich Angst hatte, vor dir und deiner ungebremsten Wut. Vor deinem Gebrüll. Vor deinen Worten. Vor deinen groben Schritten in den derben Springerstiefeln. Vor deinen rauen Händen. Und deiner Verachtung. Nein, das habe ich nie zugegeben.

Ich wollte nie schwach sein. Und was ich am meisten gefürchtet habe, war, meine Würde zu verlieren. Nicht mit erhobenen Haupt wieder aufzustehen. Irgendwann mein Gesicht zu verlieren. Irgendwann nicht mehr über deinem Hass zu stehen. Ja, vermutlich habe ich das nie getan. Aber ich habe nie zugegeben, dass es mich doch verletzt hat. Dass deine Wut mir mehr wehtat, als ich jemals hätte sagen können.

Und manchmal denke ich, es ist genau dieser Hass, den ich heute noch manchmal fühle. Dass es dein Hass ist, von damals, der noch immer in mir lebt. Ich habe mich nie getraut, laut zu werden. Ich habe die Explosionen gesehen, ich wollte nie so sein. Ich kann noch immer nicht wütend sein. Es ist manchmal noch immer wie damals. Ich werde nicht wütend, ich werde schuldig.

Mit ein bisschen mehr Selbstbewusstsein wäre ich vielleicht wütend geworden. Mit ein Stückchen weniger Liebsein hätte ich vielleicht zurückgeschrien. Hätte geschrien: "WARUM SCHREIST DU, DASS DU MICH UMBRINGEN WILLST, ICH HABE DIR ÜBERHAUPT NICHTS GETAN!" Oder ein schlichtes: "ICH HASSE DICH AUCH!" Aber das habe ich nicht. Nicht einmal gedacht. Nicht ein einziges Mal. Nur leise geschluchzt. Ich habe dir geglaubt. Ich habe nicht dich gehasst, sondern mich. Ich habe dir geglaubt. Ich habe mich schuldig gefühlt. Habe mich schuldig gemacht. Mit ein wenig weniger Scham hätte ich vielleicht mit Heulen angefangen. Aber das hätte ich nicht gedurft. Schwach zu sein. Das durfte ich nicht. 

Ich hatte zu viel Angst, was dann passieren würde. Wenn du wüsstest, wie weh es mir tut. Wenn du das gewusst hättest. Was wäre dann passiert? Hättest du aufgehört? Aber hast du wirklich nicht gesehen, wie sehr mich das verletzt hat? Hast du? Hast du? Hast du nicht? Hast du nicht sehen wollen? Hast du nicht sehen können? Warst du blind? Vor Wut oder vor Hass oder vor Verzweiflung? Weißt du, warum du mich so gehasst hast? Warum war ich nicht liebenswert? Nicht deine Liebe wert? Und warum bin ich heute nicht meine Liebe wert? Ist es mein Hass oder ist es deiner? 

Nein, heute kann ich es nicht mehr trennen. Und wütend sein, dass ist etwas, das ich erst mühsam erlernen muss. Und was aus der Zeit geblieben ist, ist vielleicht nur diese Verachtung. Deine Verachtung, die nun meine Verachtung ist. Deine für die Welt, meine für mich.

Und heute, wenn alles gut ist. Wenn die Vergangenheit schon lange nicht mehr in Träumen erscheint. Wenn ich schon lange nicht mehr daran denken muss. Und schon längst keine Tränen mehr da sind. Habe ich doch noch zu kämpfen mit diesen Überbleibseln. Diesen kleinen Resten, die sich irgendwo in mir festgesetzt haben. Die kleinen Stiche, die immer noch da sind. Du schreist schon lange nicht mehr durch meine Welt. Und auch deine Gewalt ist lange Vergangenheit. 

Ja, wenn ich dich heute sehe, du bist ein wundervoller Mensch geworden. Und dennoch bleibt irgendetwas. Du sagst, du erinnerst dich nicht mehr daran. Vielleicht ist es besser so, vielleicht ist es gelogen. Vielleicht willst du die Zeit ebenso vergessen wie ich. Die Erinnerungen verfolgen mich längst nicht mehr.

Und ich bin noch immer beliebt. Um Liebe musste ich tatsächlich nie kämpfen. Und ich bin noch immer das süße Mädchen, das jeder gerne hat. Das jedem gerne hilft. Das immer lächelt. Das Freunde hat, die auch da wären, wenn sie es nicht täte. 

Nein, heute ist alles gut. Nur ich bin noch wie damals. 
Du hast irgendwann aufgehört mich zu hassen, ich nicht.

Heute ist alles gut.

Aber diese Zeit hat mich verändert. Und das ist, womit ich heute kämpfe.

"You say you want to know her like a lover
And undo her damage, she'll be new again
Soon you'll find that if you try to save her
It will lose her anger
You will never win"
The Pierces - Three Wishes

Donnerstag, 15. September 2011

Den leichten Weg.

Ich bin immer den leichten Weg gegangen. Den, der mir zufiel. Und mir ist vieles zugefallen. Ich hatte viel Glück. Aber vor Allem habe ich meine Wünsche ignoriert. Habe sie gebogen und gebrochen. Bis ich sie verloren habe. Aus den Augen, aus dem Sinn. Nur nicht aus dem Herzen. Da ist noch immer diese unerfüllte Sehnsucht. Unerfüllt, ungefüllt, leer, ich. 

Und wenn ich dann da sitze und nicht weiß, warum ich unglücklich bin, obwohl ich heute doch alles habe. Dann vielleicht, weil dieses "alles" gar nicht mein "alles" ist. Dass das hier nicht meine Träume sind. Ich habe mich nie getraut, an ihnen festzuhalten. Ich hatte immer Angst, sie zu zerdrücken, mit meinen ungeschickten Händen. Hatte Angst, sie zu verlieren. Weil es so weh tun würde. Weil Liebe weh tun würde. Und noch mehr, sie aufgeben zu müssen.

Und dann habe ich angefangen, stattdessen fremde Träume zu leben. Habe angefangen, mich zu belügen. Und genommen, was ich bekam. Und bin den leichten Weg gegangen. Und habe aus Angst zu scheitern meine Träume geleugnet. Meine Wünsche geleugnet. Meine Liebe geleugnet. Und was ich verloren habe, das habe ich ja auch nie gewollt. Und woran ich gescheitert bin, das war nie mein Ziel. Und was ich nicht bekommen konnte, habe ich nie geliebt. Und dann habe ich mich verloren.

Ich habe verlernt, was es heißt, etwas zu wollen. Denn all meine Träume, die habe ich nie weitergedacht. Die habe ich nie auch nur angedacht. Sondern habe mich blind und taub gestellt und weggesehen und versucht, woanders hin zu sehen, um gar nicht erst wissen zu können, was ich verpasse. Und habe meinen Träumen ein Ende bereitet, noch bevor es einen Anfang gab. Und habe begonnen, ein fremdes Leben zu leben. Weil ich meines nicht verlieren wollte.

Und dann bin ich aufgewacht, als alles wertlos war. Und ich vergraben lag, unter diesem Berg fremder Träume. Und habe kaum noch atmen können. Und wäre fast erstickt. Und lag da, die falsche Hand in meiner. Und habe mich nicht wiedererkannt. Und habe keine Bedeutung finden können, in diesem Leben, was nicht meines zu sein scheint. Und wollte endlich aufhören mit Lügen. Ich will nicht lügen. Nicht dich belügen. Nicht mich belügen. Ich habe verlernt, was Wahrheit bedeutet. 

Ich habe meine Liebe verloren. Den Mut verloren. Mich verloren. Ich bin einen leichten Weg gegangen, der in Wirklichkeit gar keiner war. Weil es nicht meiner war. Weil ich diesen Weg nicht lerne zu lieben. Weil ich mich nicht daran gewöhnen kann. Weil ich dieses Leben nicht lieben kann. Weil es nicht meines ist. Weil es keines ist. Weil erfüllte Träume nicht glücklich machen, wenn es nicht die eigenen sind. Und ich noch immer nichts habe. Nein, in Wirklichkeit sind meine Hände noch immer leer. Denn was in ihnen liegt, ist so wertlos. So wertlos für mich. Und diesen Müllberg, den muss ich wohl erst wegwerfen, bevor ich erlernen kann, meine Hände wieder auszustrecken. Muss wohl erst loslassen, bevor ich wieder in Richtung Himmel greifen kann. Und wenn ich am Ende nur in die Luft fasse.

Ich will wieder wollen. Ich will wieder lieben. Ich will es wenigstens versuchen. Ich will wieder meine Träume träumen. Ich will wieder meine Wünsche wünschen. Ich will wieder mein Leben leben. Und wenn ich daran scheitere.

Ich will leben.

Mittwoch, 14. September 2011

Alive

"A kingfisher in flight
You'll rise above the sea of doubts
Into a world full of clouds
Alive"
Azure Ray - Sea of Doubts

Dienstag, 13. September 2011

Gestern Abend

Auf dem Weg zur Bushaltestelle wäre ich fast umgedreht. Vor Angst, vor Scham, vor Selbsthass, vor dieser Müdigkeit, die mit Schlaf nicht zu bändigen ist. Ich habe den Bus verpasst und die Absage-SMS schon vorbereitet. Es war ein Kampf, dort stehen zu bleiben, den nächsten zu nehmen statt sofort wieder aufzugeben, umzudrehen. Ich hatte zu kämpfen mit mir, mit dieser Stadt, mit den Gesichtern und den Erinnerungen. Auf dem Weg zu euch.

Und dann haben wir durch die Nacht geschrien, all die Wut, die jeder von uns in sich trug. All die Schreie, die wir nie geschrien haben. Für all die Hilfe, die wir nicht bekommen haben. Und all die Kämpfe, die wir nie gekämpft haben. Und standen da, auf dem Berg in der Nacht. Vor dem Mond und den Wäldern. Und haben die Angst gesehen, die irgendwo zwischen uns gesessen hat. Und in jedem von uns. Und haben sie fortgeschrien, bis nichts mehr in uns war außer der Freiheit. 

Und haben gelacht und gelacht und so tief, 
so tief habe ich lange nicht mehr gelacht.

Und auf dem Weg zurück haben wir geredet über all die Dinge, über die wir sonst immer schweigen müssen, all das Ungesagte, für das wir uns manchmal schämen und für das uns manchmal die Worte fehlen. Über die Wut und die Angst, die wir uns nicht wirklich eingestehen können. Und Träume, an die wir uns nicht trauen, unser Herz zu hängen. Und Geschichten, die nie Geschichte geworden sind, sondern noch immer lauern und warten und uns in einsamen Nächten noch immer um den Verstand bringen. Über unausgesprochene Wünsche und ungeteilte Lasten auf den Schultern von jedem von uns. 

Und haben gelacht und gelacht.
Und dann wart ihr da und ihr wart ihr und ich war ich. 
Und das war schön.

Es war mein schönster Abend seit Langem. 

Danke.

Samstag, 10. September 2011

Zwischen Schrei und Stille.

Es ist so leer. So leer, hier. Im Kopf, im Bauch, im Herz.
Diese Leere ist mir unerträglich. Sie ist nicht wahr, sie ist nicht wirklich, sie ist allumfassend. Und sie erstickt jeden einzelnen meiner Gedanken. Und jedes Gefühl. Ich habe sie geschluckt, zusammen mit all den anderen Erinnerungen. Und dann hat sie angefangen an mir zu nagen. Mich auszuhöhlen, ganz langsam nur, unmerklich, aber mit Geduld.  Sie schnürt mir die Luft ab. Ich kann kaum atmen und muss jedes zweite Wort innehalten. Und falle mit jedem Atemzug tiefer in mich hinein. Und falle und falle. In den Abgrund, der sich irgendwo zwischen Herz und Lunge eingenistet haben muss. Und dort gewachsen ist, mit jedem Tag tiefer wurde. Ich kann den Boden nicht sehen. Ich stehe in leeren Hallen. Mein Echo so weit. Will ich schreien und schreien. IST HIER NOCH IRGENDETWAS? Und kann kaum flüstern. Und irgendwas muss in mir sein, außer dieser Stille. Irgendwas muss doch noch sein, oder? Und was ist, wenn nicht? Ich falle und falle. Mit jedem Atemzug tiefer. Komme niemals auf. Schlage niemals auf. Und zersplittere dennoch. Ich falle auseinander. Und zerbreche, Stück für Stück. Weil nur dieses Nichts in mir ist. Und mich langsam einhüllt, ganz ausfüllt, ganz aushöhlt. Bis ich werde wie es. Langsam zu diesem Nichts. Ich falle und falle. Ich müsste die Knochen schon sehen um zu wissen, dass da noch irgendetwas in mir ist, das mich hält. Dass dieser Fall ein Ende hat. Dass ich noch da bin. Noch nicht verschwunden. Dass da etwas ist, das mich auffängt. Und dass ich, egal wie tief ich beim nächsten Ausatmen in mich falle, nicht ganz verschwinde. Dass dieser Abgrund ein Ende hat. Irgendwo ein Ende hat. Dass es ein Ende hat. Ich will, dass es ein Ende hat. Ich falle und falle. Implodiere.
Es ist so leer. So leer, hier. In mir.

Samstag, 3. September 2011

Wahllos

Hätte ich noch einmal die Wahl,
ich hätte mich anders entschieden.

Hätte ich noch einmal die Wahl,
ich hätte mich für mich entschieden.

Hätte ich noch einmal die Wahl,
ich hätte nie mit fühlen aufgehört.

Hätte ich noch einmal die Wahl,
heute wüsste ich, dass es schlimmeres gibt als den Schmerz.

Hätte ich noch einmal die Wahl,
heute wüsste ich, dass diese Leere schwerer ist als all die Tränen.

Hätte ich noch einmal die Wahl,
nur einmal die Wahl,
nur noch einmal die Wahl.
Ich hätte mich für mich entschieden.

Heute weiß ich, dass diese Leere schwerer ist.

Aber heute habe ich keine Wahl.
Heute habe ich keine Wahl.


"I wake up, in the middle of the night,
My senses screaming, something's not right,
There's a shadow on the wall,
Doesn't look like my shadow at all,
I wake up, in the middle of the night,
My senses screaming, something's not right,
There's a shadow in my bed,
I'm not alive, but I'm not dead."
Yoav - Wake up

Donnerstag, 1. September 2011

Zwischenstand

Wegrennen und schreien.
Irgendwohin.
Nicht zurückehren müssen.
Ich zerfalle vor lauter Hierbleiben.
Falle und falle in mich hinein.
Weil nichts in mir ist, das mich hält. Das mich auffängt.
Ich falle und falle.
In den bodenlosen Abgrund in mir.
Ich kann nicht mehr.
Ich kann nicht schreien.
Ich kann nicht gehen.
Ich kann nicht aufhören, alles zu überlächeln.
ICH WILL HIER RAUS! RAUS AUS MIR!
ICH HALT MICH NICHT MEHR AUS!
Möchte ich schreien und flüstere. Leise und kraftlos.
Nicht zu dir und nicht zu irgendjemandem.
Ohne Ziel und ohne Adresse.
Ich will nur hier weg.
Nur hier weg.
Ich kann nicht mehr.
Nicht weg von
hier und mir.

Mittwoch, 31. August 2011

Wir schweigen.

Wir sitzen.
Und wir schweigen.

Wir schweigen nicht miteinander.
Wir schweigen nicht gegeneinander.
Wir schweigen. Und jeder für sich.
Wir schweigen.

Dann fällt ein Wort.
Ganz leise und zaghaft.
Schmerzhaft laut in meinen müden Ohren.
Fällt von deinen Lippen.
Bis es abbricht.
Mitten im Sinn.
Mitten in der Stille.
Wir schweigen.

Wir schweigen.
Ganz weiß sehen wir dabei aus.
Und sogar unsere Augen
schweigen mit. Werden ganz leise.
Blassleer wie wir.

Augenlos. Ohne Worte,
aber doch mit vielen
ungesagten
ungeklärten
ungekämpften
Kämpfen.

Wir schweigen.
Blicklos.
Wortlos.
Schwerelos,
aber fallend.

Wir schweigen.
Ich möchte mir das Messer
in den Arm rammen.
Wir schweigen.

Und das Messer unberührt.
Und mein Arm unberührt.
Und meine Hände leer.
Wir schweigen.

Wir schweigen
so sehr, dass wir fast schreien
so sehr, dass wir fast sterben
dass ich fast sterbe
für mich,
nur für mich.

Wir schweigen.
Wir schweigen.

Und jeder für sich.



Dienstag, 30. August 2011

ich

Bei dir ich sein können

ist mehr
als ich kannte
als ich bisher
als ich gestern noch
nie sein wollte

aber dank dir
dank dir
bin ich

manchmal, noch nicht immer
aber bald und noch viel immerer
gerne und vor allem

wieder ich.

Montag, 29. August 2011

Maskenball

Ich habe mir eine Maske gesucht. Ich habe viele ausprobiert und dann war da eine, die so gut gepasst hat, wie an meinen Körper gegossen. Und ich habe sie mit mir herumgetragen und ab und an aufgesetzt, wenn die Maske der schönere Teil von mir war, der lächelnde. Und das wurde mehr und mehr, bis ich selber sie nicht mehr von meinem Gesicht unterscheiden konnte. Bis die Maske unwiderruflich ein Teil von mir geworden war. Und dann bin ich hinter dieser Hülle vermodert und zerfallen.

Samstag, 27. August 2011

Jeder gute Tag hat seinen Preis.
Jedes Lächeln bezahle ich in Tränen.

Freitag, 26. August 2011

Der richtige Mensch, zur falschen Zeit.

Hoffnung in fremden Worten

"Man fragt sich nicht mehr: Warum soll ich aufstehen? Sondern: Was mach ich heute?"

Donnerstag, 25. August 2011

"Step out the front door like a ghost
into the fog where no one notices
the contrast of white on white.
And in between the moon and you
the angels get a better view
of the crumbling difference between wrong and right.
I walk in the air between the rain
through myself and back again
Where? I don't know"
Counting Crows - Round here
Ich würde fliehen, wenn ich nur wüsste, wohin.

Dienstag, 23. August 2011

Ein Nachruf

Das bist du, oder? Das warst du, oder? 
Du warst nicht glücklich. Ich konnte dir nicht helfen.
Niemand kann helfen. Du warst allein, wie wir alle, die wir anders sind.

Deine letzten Worte an die Welt waren entschlossen. Und vielleicht, sicher sogar, hast du wirklich etwas getan, was du schon lange tun wolltest. Und vielleicht, sicher sogar, hast du geglaubt, es sei das Richtige. Die einzige Möglichkeit, die Trauer zu beenden. Aus der ich dir nicht heraushelfen konnte, in der kurzen Zeit die wir uns kannten.

Wir kannten uns nicht lange und wir kannten uns nicht gut. Aber der Schmerz, den kannten wir beide. Ich weiß noch, wie du damals die Klinik verlassen hast. Ich weiß noch, wie ich daran verzweifelt bin, dass ich dir angesehen habe, dass es zu früh war. Dass du noch nicht so weit warst. Aber deine Unterschrift und sie mussten dich gehen lassen. Wie ich Angst hatte, um dich und wie es weitergeht. Denn du warst nicht glücklich und du bist es nie geworden.

Ich habe dich nie weinen, aber bluten sehen. Und in dieser Welt hast du nie etwas gefunden. Vielleicht war genau das auch der einzige Weg für dich. Vielleicht gab es wirklich kein Glück auf dieser Welt für dich. Auf dieser Welt, die viel zu schrecklich war und zu grausam für einen Menschen, so wundervoll wie du. 

Wir kannten uns nicht lange und wir kannten uns nicht gut.
Aber wir lebten in einem Zimmer. Zwei Monate lang habe ich deine Musik gehört und deine Wunden geteilt. Den Schmerz gesehen und nicht heilen können. Zwei Monate, bis du gingst. Und danach habe ich dich nur manchmal gesehen, unterwegs, auf der Straße. Und dein Gang war gebeugt und dein Blick war schwer. Deine Worte federleicht und dein Lächeln zu schön um wahr zu sein. Der Abgrund dahinter. 

Und ich verstehe, warum du nicht bleiben konntest.
Und dann war die Welt, in die du zurückgekommen bist, doch genauso unfrei wie die Klinik. Und du bist ebenso an ihr verzweifelt. Ich habe dich damals gefragt, ob du denn wirklich glaubst, dass du es dort draußen schaffst. Und habe gebetet und gefleht, dass es so wäre. Und du hast geantwortet, Anna, hast du gesagt, aber hier halte ich es nicht mehr aus. Und ich habe verstanden. Und ich habe gehofft, es würde besser, dort draußen. Denn aufhalten konnte ich dich ebenso wenig wie jeder andere. 
Niemand kann das. Niemand kann helfen.

Und deine Unterschrift allein hat dich in diese Freiheit geführt, die ja doch keine war. Die ebenso unerträglich gewesen sein muss, wie die Gefangenschaft davor.

Und ich verstehe, warum du nicht bleiben konntest.
Nicht in der Klinik und nicht in dieser Welt.

Wir kannten uns nicht lange und wir kannten uns nicht gut.

Ich konnte dir nicht helfen.
Ich hätte mich gerne von dir verabschiedet. 

Und ich hoffe, dass, wo immer du jetzt bist, all der Schmerz ein Ende hat.
Dass du Ruhe findest, all die Ruhe, die du im Leben nicht kanntest. 
Dass du nun frei bist. Dass du findest, wonach du vergeblich gesucht hast.
Dass die Suche ein Ende hat.
Dass diese Stille eine bessere ist.

Unerklärbares

Die letzten Tage waren keine guten. Die letzte Nacht war voller Angst.
Und die Grenzen meiner Sprache sind nicht die Grenzen meiner Welt.
Das Namenlose bleibt namenlos. 
 
Wie kann ich dir erklären, was du nie gefühlt hast? Wie kann ich dir sagen, dass ich trotz all der Zeit, die ich habe, sie nicht verwenden kann? Wie erklären, dass ich zu schwach bin, obwohl du diese Schwäche mir nicht ansiehst? Wie nur sagen, was sich nicht sagen lässt? Wie erzählen, wofür Worte nicht ausreichen? Wie dir begreifbar machen, dass ich nichts tue, nicht, weil ich nicht wollen würde, sondern weil das alles ist, wofür meine Kraft noch reicht? 
 
Dass ich keine Kraft mehr habe, wirst du mir das glauben?
Dass ich am Ende bin, sag, siehst du das wirklich nicht?
Dass ich nicht noch so ein Jahr durchhalte.
Dass ich lange genug gekämpft habe.
 
Und ich nicht mehr funktioniere, so sehr ich mich mühe.So sehr ich mich mühen muss, bei all den Dingen, die dir Routine erscheinen und so leicht. Die für mich nicht leicht sind.
 
Dass ich einsam bin. 
Dass das nichts damit zu tun hat, dass ich nicht allein bin.
 
Und dass auch ich dieses Schweigen gerne brechen würde, aber nicht kann. Dass die Stille zwischen uns schon zu tief geworden ist. Aber auch, dass ich Gräben ziehe, die nicht nur dich, die alle ausschließen sollen. Dass ich unglücklich bin und das schon lange.
 
Siehst du das wirklich nicht? Siehst du mich wirklich nicht?
Wo immer die Kraft her kam, die wir beide nicht mehr haben.
Und trotzdem einander geben.

In der Nacht.

"Die Angst ohne Namen.
Die sich nicht bändigen lässt.
Sie kommt. Ohne Begrüßung.
Sie setzt sich einfach hin.
Sie spricht nicht.
Sie sitzt einfach nur da.
Und lähmt.
Wenn sie genug hat, geht sie wieder.
Einfach so. Hinterlässt nicht mal einen Zettel.
Sie wird wiederkommen.
Heute, morgen, irgendwann."
Stadtneurotiker

Dienstag, 16. August 2011

Bitte lass uns für immer
so tun, als wären wir die Richtigen.

Montag, 15. August 2011

Meine Stadt (Auszug aus meinem Tagebuch, 28.05.2011)

Komm mit mir.
Ich zeige dir meine Stadt.

Komm mit mir, ich zeige dir den Weg, den ich gehe, gehen muss, jeden Tag. Wenn es egal ist, ob ich will oder nicht. Ich zeige dir den Weg zur Stadt, zu meinem Haus und wieder zurück. Und vielleicht findest du irgendwo unterwegs irgendetwas. Das schön ist, oder auch nicht, aber anders.

Komm mit mir, ich zeige dir die Laterne, an der ich geweint habe, am letzten Tag davor. Ich zeige dir auch die Klinik, die danach war. Die sieben Monate war. Ein halbes Jahr. Ist viel zu lange in Gefangenschaft. Und doch musste ich. Und wollte ich, bevor ich wusste, was das bedeutet.

Komm mit mir, ich zeige dir das Bächlein, das da vorbei lief, an unserem früheren Haus. Als wir noch alle zusammen lebten. Und trotzdem schon manchmal jeder für sich war. Ich zeige dir dieses Bächlein, an dem ich oft war, als Kind. Dem ich all meine Sorgen erzählt habe, und gehofft habe, sie würden fortschwimmen und nie wiederkehren. Und zeige dir das Haus. Da, siehst du, da habe ich gewohnt. Da, das Haus, das mit dem Vorgarten und den schönen Balkons, das gelbe mit den roten Fenstern. Und der geschlossenen Tür, dort hinter dem Zaun.

Komm mit mir und ich zeige dir die Straße, die ich nachts so oft gegangen bin, gerannt bin, manchmal, vor Angst, mich umzudrehen. Aus Angst, die glasigen Augen hinter mir nicht zu vergessen. Die Straße zwischen den zwei Zuhause. Und Zuhause hat gar keinen Plural, weil die meisten nur eins haben, und manche gar keins. Aber dieser Weg, der lag wie ich irgendwo dazwischen. Bis ich merkte, das eins von beiden gar kein Zuhause war. Nur das Haus eines Säufers. Und dann bin ich den Weg nie wieder gegangen.

Komm mit mir, ich zeige dir auch den Brunnen, in dem die Sonne liegt, und die Märchenfiguren. Und die Wiese rundherum, wenn es Sommer ist. Gleich neben dem Fluss, in dem das Bächlein endet. Und sie dort liegen, am Wasser, das gar keinen Strand hat. Und wo sie trotzdem alle liegen, im Bikini. Und manche baden sogar in dem Fluss, der auch auf dem Schild am Bahnhof steht. Der in Klammern steht und über den Lieder gesungen werden, die man in der Grundschule lernt. Gleich nach den Regeln im Straßenverkehr.

Komm mit mir, ich zeige dir die Gasse mit den vielen Cafés. Die gekrümmt ist, und im Sommer ganz eng, weil sie voll ist, von den Stühlen zum Draußensitzen. In der ich manchmal Abends bin, um zu tanzen oder zu reden, oder zu lachen oder um nicht allein zu sein. Und manchmal rede ich über Sachen, die ich sofort wieder vergesse, weil sie egal sind, aber besser als schweigen. Oder ist das meistens? 
Und manchmal lache ich und meine es sogar ernst.

Komm mit mir, ich zeige dir den Platz am Fenster in der Bahn, auf dem ich saß, an jenem Tag. Als die Fenster beschlagen waren und ich schreiben wollte. Und mich nicht getraut habe. Und so blieben die Worte gefangen in meinem Kopf.  Be my friend, hold me. Wrap me up, unfold me.
Und wenn ich sie wieder höre, denke ich an all die Tränen, die ich vergossen habe, verloren habe, irgendwo unterwegs in dieser Stadt. Die alle gesehen haben, und alle geschwiegen haben, und weggeschaut.

Komm mit mir und ich zeige dir die Blumen, die daraus gewachsen sind. 

Komm mit mir, ich zeige dir all die Blicke, die ich aushalten muss, Tag für Tag. Ich zeige dir die Spiegel, denen man nicht ausweichen kann, weil sie überall sind. Ich zeige dir, dass diese Stadt voller Spiegel ist. 

Komm mit mir, ich zeige dir dieses eine Café, in dem ich angefangen habe zu weinen. Zu weinen und weinen, weil ich nicht essen konnte. Weil ich nicht essen konnte, selbst wenn ich es wollte, weil es irgendwann zu spät war und ich machtlos. Und in mir selber gefangen war. Als ich irgendwann nicht mehr hinauskam und nicht mehr weiter. Und es mir auf einmal nicht mehr egal war. Als ich wusste, dass ich sonst sterben würde. Und als ich das auf einmal nicht mehr wollte. Als ich auf einmal Angst hatte vor dem Tod. Und vor mir selber.

Komm mit mir, ich zeige dir die Schule, in die ich gegangen bin, davor und danach und währenddessen. In der ich fast verhungert bin. Denn das Sterben, das beginnt schon viel früher, als die Menschen glauben. Und als sie es bemerken. Denn das beginnt schon, wenn die Temperatur  auf einmal nur noch bei 35°C liegt, wenn man die Rippen im Spiegel zählt, wenn man morgens nicht aufstehen kann, ohne das einem schwindelig wird. Wenn man ununterbrochen Krämpfe hat, und weiß, dass auch die Magnesiumtabletten, die Vitamintabletten, die man Tag für Tag nimmt, nicht mehr helfen können. Wenn man nachts wachliegt, wenn man jede Nacht wachliegt und manchmal Sport macht, und manchmal Kuchen bäckt, die man niemals essen wird. Wenn man zählt und wiegt und zählt und zu viel wiegt und zählt und wartet, bis es besser wird.
Wenn man abnimmt, jeden Tag, ohne dünn zu werden.  
Wenn Essen ekelhaft wird. Wenn man nachts aufwacht, weil man von Kuchen geträumt hat. Weil das ein Alptraum war, und man Angst hat, nur Angst, nur Angst. Und zur Waage rennt und zur Küche rennt, um zu sehen, dass der Kuchen noch dort steht, dass alles noch gut ist und der Kuchen unberührt.

Komm mit mir und ich zeige dir die Bücher, die vielen Tagebücher und die Bilder und die Zettel von damals. Auf einem steht 45. Auf dem anderen 44,5. 44,2. 43,7. 44,3. 42,8.
Und ich kann noch heute sagen, wie weh das 44,3 tat. Und wie ich am Morgen von 42,8 kurz gelacht habe. Und glücklich war, so glücklich war. Und dann wieder leer.
Und zur Belohnung in die Stadt laufen, wie jeden Tag. Zur Belohnung 2 Vitamintabletten, wie jeden Tag. Und zur Belohnung nichts zu essen, wie jeden Tag. Weil es damals kein gut gab. Nur erträglich. Und selbst das nicht wirklich. Weil die Tage leerer wurden und leerer und egal.
Es gab damals nur Schmerz und Leere und Zahlen.
42,3. 41,9. 41,8. 41,5. 41,3.  
Bei 40,2 bin ich in die Klinik gegangen.
Heute gibt es keine Zahlen mehr. Aber das Dicksein, das gibt es noch.
Das Hässlichsein, das Sich-schämen, das Zu-viel-Sein, das Nie-genug-sein. Das alles gibt es noch. Aber das ist nicht mehr jeden Tag.

Komm mit mir und ich zeige dir die Bilder aus dem Urlaub. Auf denen ich Kleider trage. Auf denen ich schön bin. Auf denen ich glücklich bin. Die alt sind. Und fast schon nicht mehr wahr.

Komm mit mir, ich zeige dir das Haus, in dem ich jetzt lebe. In dem ich sicher bin. Und manchmal glücklich. Aus dem ich trotzdem weg möchte. Weil ich hier weg möchte.

Komm mit mir.
Und flieh mit mir aus meiner Stadt.

Komm mit mir
nie wieder hier her.

Samstag, 13. August 2011

"Dieses Leben, in dem ich nachts in meinem Bett liege und mich selbst umarme, weil es sonst keiner tut." 
flugunfaehig

Offenheit

Vertrauen schafft Nähe, sagt man. Und den Menschen, denen man nahe steht, denen man jenes Vertrauen entgegenbringt, denen kann man ja auch am meisten von sich erzählen. Mit denen kann man über die Probleme am besten reden, denen fühlt man sich verbunden. Jedenfalls sagt man das so. Zu denen könnte man offen und ehrlich sein. Und ja, ich bin bewusst in den Konjunktiv gewechselt. Weil ich zu denen, die mir nahe sind und die immer für mich da sind, entgegen aller Logik weder offen noch ehrlich bin. Ganz im Gegenteil.
 
Und würde ich euch, die ihr das lest, persönlich kennen, ich würde euch genauso belügen und etwas vorspielen, wie all den anderen. Ihr würdet eine glückliche, selbstbewusste Frau erleben. Die oft Witze macht, viel lacht und selten pünktlich kommt, aber immer mit einem Lächeln auf dem Lippen. Die etwas hyperaktiv wirkt, und oft euphorisch. Die dann manchmal plötzlich unglaublich müde ist, sicher, aber das würde euch kaum auffallen. Ihr würdet nicht wissen, dass ich zu spät komme, weil ich wieder unvermittelt angefangen habe, zu weinen und das Zeit braucht, das alles wieder zu kaschieren. Ihr würdet nicht wissen, dass ich, sobald ich allein bin, hemmungslos losheule. Dass das auch unterwegs passiert, auf Zug- und Restauranttoiletten. Ihr würdet euch vielleicht wundern, warum ich immer meine Tasche mitnehme, wenn ich auf Toilette gehe.

Würdet mich vielleicht für eitel und oberflächlich halten, weil ich mich nicht ohne Makeup aus dem Haus traue. Und weil ich manchmal Ewigkeiten brauche, um etwas zum Anziehen zu finden, in dem ich mich zwar immernoch schäme, aber nicht mehr so sehr. In dem ich mich in die Welt hinaustraue. Mit viel Musik und großer Anstrengung. In dem ich mich zwar immernoch häßlich und widerlich fühle, aber ich muss ja meine sichere Wohnung verlassen. Ich habe ja keine Wahl.

Ihr würdet nicht wissen, dass ich manchmal zu sehr geschminkt bin, nicht weil ich es schön finde, sondern weil ich es an manchen Tagen nicht ertrage, mich in meinem Gesicht zu erkennen. Dass ich morgens viel Zeit brauche, um doch nicht wirklich wach zu werden. Dass ich aufstehe, und schon keine Kraft mehr habe und es lange dauert, bis mein immer müderes Gesicht nicht mehr so leer aussieht, wie ich bin. 
 
Ihr würdet weder wissen noch erahnen können, wie anstrengend jedes Lachen ist. Ihr würdet mich für glücklich halten. Ja, ihr würdet es nicht merken.
 
Denn den Menschen, denen ich nahe bin, zu denen kann ich nicht ehrlich sein. Und wenn ich erzähle, es doch einmal versuche, zu erzählen, wie es mir geht, dann sind ihre Blicke so unerträglich schwer. Ich kann es nicht ertragen, dass sie dann ebenso unglücklich aussehen, wie ich bin. Dann rede ich nicht weiter, kann nicht weiter reden. Und dann beginnt wieder das Lächeln, und dass ja alles gar nicht so schlimm und bestimmt bald besser ist. 

Dann rede ich von Hoffnung, die ich nicht habe.
 
Ich kann nicht mehr reden, mit Menschen, die mir wichtig sind. Und es werden weniger. Einer der vielen Gründe, warum ich diesen Blog schreibe, ist, weil ich nicht anders als schreiben kann. Weil ich es brauche, das alles irgendwohin loszuwerden. Ein anderer ist, dass ich hier ehrlich bin. Diese Anonymität gibt mir eine Offenheit, die ich im echten Leben verlernt habe.


Freitag, 12. August 2011

Donnerstag, 11. August 2011

Mittwoch, 10. August 2011

kann nicht schlafen
nicht mehr schlafen
nicht seit Tagen

und habe doch
kraftlos deine Hand
nicht mehr halten können
sagst du trotzdem für immer

mit mir, also
allein

Sonntag, 7. August 2011

Nachtangst

die Beine umklammert
dein Atem im Rücken
die Worte so sanft
kann nicht lächeln
und zitter dir
Angst in die Leere
flüsterst leise
doch ich bleibe
bebend vor Furcht 
in deinen ratlosen Armen

Samstag, 6. August 2011

Mit dir und ohne mich.

Wir gehen nebeneinander und ich sehe deine Lippen sich bewegen. Und deine Hände bei jedem Schritt so zielstrebig. Folgen deinen Beinen und dein Gang sieht so kraftvoll aus. Und ohne jede Mühe kannst du das, aufrecht gehen, nicht hinfallen, nicht zurückblicken. Es sieht ganz leicht aus und ich, ich mühe mich ja doch so sehr. Mir fehlt das, diese Energie, wo immer du sie hernimmst. Ich will nicht deine Hand und nicht deine Worte. Ich will nur deine Beine mir borgen, um das gehen zu lernen. Das Aufstehen, ohne Kampf. Einen Tag, der nicht anstrengend sondern schön ist. Dein Lächeln, dein Lachen, dass ich fast schon verabscheue, weil es so glücklich ist und so laut, wie ich niemals sein könnte. Und du redest irgendetwas, denn ich sehe deinen Mund Seifenblasenluftschlösser spucken. Und kann nichts hören. Denn irgendwann muss ich wohl verbittert geworden sein, fürchte ich. Denn ich kann gar keine Luftschlösser mehr bauen. Oder sehen. Kann nicht träumen, außer nachts und das sind furchtbare Träume. 

Und dann wache ich auf und muss meine Beine abtasten, um sicherzugehen, dass es sie noch gibt. Und schalte das Licht an, vor Schreck und Angst. Und zähle meine Zehennägel, die ja doch niemand ausgerissen hat. Und schaue in den Spiegel und bin überrascht, denn ich bin tatsächlich noch da. Ich sehe noch ein bisschen blasser aus und noch viel müder. Ich sehe grau aus, aber da ist wirklich kein Loch nirgends zu sehen. Ich bin vollzählig, also allein. 

Und du läufst neben mir. Kling, klang, du und ich nicht. Und du redest und redest und manchmal taucht da ein "wir" in deinen Sätzen auf, dass es so nicht mehr gibt. Die Dunkelheit um mich herum ist so viel näher als du es bist. Die Ewigkeit zwischen dir und mir. Ich kann nicht mehr. Da ist diese Müdigkeit, die kein Schlaf beenden kann. Diese Immermüdigkeit, die macht, dass ich nicht aufstehen kann, dass ich nicht so aufrecht gehen kann, wie du. Da ist dieser Berg aus Schuld und Trauer, der auf meinen Schultern liegt, und den niemand mir abnehmen, ja, niemand auch nur sehen kann. Und ich gehe gebeugt und an manchen Tagen auch gar nicht vor Kraftlosigkeit. Denn ich habe gekämpft, schon so lange, weil ich musste. Ich habe gekämpft und das jeden Tag. Und immer verloren. Mich, das Glück, dich. Ich habe mich ganz ausgehöhlt und bin nun leer.  Ziehe meine Arme an den Seilen hoch, lass mich tanzen, bis ich wieder zusammenbreche. Ich will nicht deine Hand. Ich will nicht deine Nähe. Ich will wieder stehen können. Nicht mehr kämpfen müssen. Denn ich kann nicht mehr. 

Und liege nachts wach. Und denke manchmal, dass das vielleicht sogar besser ist. Denn ich fürchte mich vor den Träumen, die kommen, wenn ich schlafe. Und dann wache ich auf, Nacht für Nacht, bei jedem der Schrecken. Das ist anstrengend und macht mich manchmal noch müder als nicht zu schlafen. Denn ich habe Angst. So viel Angst in mir, ich weiß schon gar nicht mehr, wo die herkommt. 

Und wir gehen die Straßen immer weiter, als ob es etwas gäbe, was auf uns warten würde. Während du redest, als ob es mich interessieren würde. Und ich schweige und lache manchmal. Und das ist so anstrengend und falsch. Das kostet mich all die Kraft, die ich nicht habe. Während meine Schritte ohne Klang im Boden versickern. Kann ich die Sterne schon nicht mehr von den Laternen unterscheiden. Es ist nur dieses Schweigen, was da zwischen uns liegt, weil keines deiner Worte mich berührt. Nur dieses Schweigen, was die Nacht so dunkel macht. Ich würde gerne irgendwo hingehören. Und suche und finde nichts als die Angst. Wovor? Kann nicht sehen. Kann nicht sagen.

Und ich schweige und schweige und manchmal taucht da ein "ich" in meiner Stille auf, dass es so nicht mehr gibt. 

Donnerstag, 28. Juli 2011

Zwischenweltendasein

Ich kann nicht schlafen. Das ist eigentlich nichts Neues. 
Ich kann nicht schlafen.

Seit Tagen nicht, und meine Augenringe werden tiefer, meine Lippen blasser, ich brauche mehr und mehr Farbe, um mich aus dem Haus zu trauen. Das tue ich weder oft noch gerne. Denn in die Augen anderer Menschen zu sehen, das ist fast so schlimm, wie in den Spiegel zu sehen. Die Schaufenster, die Pfützen, so viele Glasflächen- und alle Spiegeln. Und man sieht mir die Müdigkeit so sehr an und die Trauer, die Tränen. Die Tränen, die ich nicht weine. Die ich nicht mehr habe. Die Trauer, die ich nicht fühle. Und doch tut es weh. Und doch kostet es Kraft. Und doch ist es so furchtbar anstrengend. Das alles. Ich will nicht. Ich will schlafen. Nur schlafen und nicht aufwachen müssen. Wegrennen, ohne zurückkommen zu müssen. Irgendwann wieder aufrecht gehen können. Lachen können. 

Nicht diese Art von Lachen, die so entsetzlich viel Kraft kostet. Nicht dieses Lachen, von dem meine Mundwinkel schon ganz ausgefranst sind. Nein, nicht dieses Lachen. Lachen, das nicht weh tut. Das ehrlich ist und von Herzen kommt. Wo ist mein Herz? Ich kann nicht finden. Kann nicht suchen, denn der Weg ist zu weit. Und in mir ist es kalt, so kalt, ich halt sie nicht aus, diese Gletscher. Der Weg ist zu weit. Kann nicht finden. Nur das Nichts, und es höhlt mich aus. Kann nicht mehr. Kann nicht gehen, aber muss. Es muss gehen. 

Und wieder der Versuch. Und wieder ein Tag. An den ich nicht glaube und der schon verloren ist. Wie diese Nacht. Und die davor. Und davor und jede Nacht. Jede Nacht. Und jede Stunde der Blick auf die Uhr. Wann hört das auf? Wann fing das an? Wann geht die Angst? Wann kommt der Schlaf? Warum? Warum darf ich nicht schlafen, warum? Es macht mich kaputt. Es bricht meine Beine. Kann nicht gehen. Es muss gehen. Wie geht es? Nicht weiter.

Traumlos. Wortlos. Angstvoll. Alptraum. Haltlos. Dunkel. Fang mich auf. Halt mich fest. Lass mich bloß nie wieder los. Lass nicht los. Halt mich fest. Und ich falle. Ohne aufzuschlagen. Wohin? Will ich atmen, bis ich Luftholen kann. Lass mich atmen. Oder ertrinken. Aber eines von beidem. Ich will nicht. Ich bin nicht. Nicht ich, bin dazwischen. Bin verloren. Bin gestrandet, ohne angekommen zu sein. Wo ist das, zuhause? Nicht hier, nicht bei mir, nicht in dieser Stadt. Lass mich frei, ich will rennen, von hier weg und vielleicht auch vor dir. Wie vor jedem, ich will nicht mehr reden.Will schweigen, bis es wieder Worte gibt. Bis es wieder mehr in mir gibt, als die Leere, die nicht der Rede wert, die unbeschreiblich allumfassend mich einlullt in Messerstiche. Die zu Watte werden. Und Schmerz zur Gewohnheit.

Und ich kann nicht schlafen. Und ich kann nicht schlafen. Und liege wach voller Tränen, die ich nicht mehr weinen kann. Die Zeit vergeht grausam. Wann fing das an? Wann hört das auf? Wann hört das auf? Wann? Wann? Wann? Will ich schreien und kann nur flüstern. Ich bin stumm geworden, kann gar nicht mehr reden. Selbst wenn ich wollte, wäre es nun zu spät. Und ich schmeiße Jahre meines Lebens auf den Abfallhaufen, den niemand von meinen Schultern nimmt. Tag für Tag jeder Schritt, jeder Blick auf dem Weg ohne Ziel. Will ich fliehen und komme doch nicht weiter. Und renne und renne, aber immer im Kreis. Kann nicht fort von hier. Und täglich wache ich auf und bin noch immer hier. Warum? Wache ich auf, ohne geschlafen zu haben. Aber Träume, Träume hatte ich mehr als genug. In diesen endlosen Nächten. Wenn das Leben ist, warum hatte ich dann keine Wahl? Wenn das alles ist, was ist dann nichts?

Und dann das immergleiche wiegehtesdir, vielleicht ist das schon der Grund, warum ich mit der Zeit angefangen habe, Menschen zu meiden. Und auch das ist nichts Neues, nicht wirklich, das ist schon drei Jahre so. Oder vier. Das hat angefangen, als ich aufgehört habe, die Jahre zu zählen. Sie zählen zu können. Und irgendwann da, als ich jedes Gefühl verlor. Für Zeit und für mich. Als ich lieblos wurde und fast ebenso liebensunwürdig. Als ich begonnen habe, mich zu hassen und kann nicht mehr aufhören. Und kann doch schon lange wieder essen, kann satt sein und Hunger haben, aber fühlen, das nicht. Aber mich nicht hassen, das nicht. Und damals habe ich mit Leben aufgehört und seitdem nicht wieder angefangen. Und habe mit Sterben begonnen, damals. Aber auch dafür hat meine Kraft nicht gereicht. Kann nicht sterben. Kann nicht leben. Kann nicht schlafen. Und weiß schon gar nicht mehr, was davon ich mir am meisten wünsche. 

Und habe Nächte voller Angst. Was ist, wenn ich nicht glücklich werde? Wenn es damals falsch war, überlebt zu haben? Wenn ich doch nicht leben kann, warum hatte ich dann keine Wahl? Warum würde ich am liebsten aus der Badewanne nicht wieder auftauchen müssen? Warum wünsche ich mir nichts sehnlicher, als den nächsten Tag nicht lebendig zu überstehen? Warum bin ich damals nicht verhungert? Warum habe ich so entsetzliche Angst? Warum tut mein Hals vor Tränen weh, die erst nach Tagen anfangen aber nächtelang sind? Warum ist da diese Leere noch immer? 

Ich weiß, ich weiß. Irgendwann hatte ich die Wahl, irgendwann. Und habe geirrt. Und habe geglaubt, nichts sei schlimmer als der Schmerz. Und habe mein Herz eingefroren. Und Wände gebaut. Ich weiß, ich weiß, damals hatte ich die Wahl. Und habe mich für Taubheit entschieden. Für Taubheit und Eis. Ja, ich weiß. Ich habe geglaubt, es wäre besser so. Warum? Ich würde alles dafür geben, einen Tag zu fühlen. Von morgens bis abends. Ich will raus aus dieser Wertlosigkeit. Und ja, das war gelogen, denn was ich will, das weiß ich ja gar nicht. Denn da ist diese Wand, diese Wand, dieses Weiß, das mich abschottet von mir. Und ich komme nicht durch. Da ist nichts mehr von mir. Da ist nichts. Ich bin leer geworden. Weil ich tatsächlich irgendwann geglaubt habe, das ein Nichts besser ist, als dieser Schmerz. Und hatte die Wahl und habe geirrt. Und habe mich ausgesperrt und bin nun gefangen. Zwischen Gletschern und Selbsthass. Mir ist kalt. Mir ist so kalt.

Und dann die Leere. Und danach Tränen. Und danach die Leere. 
Und hier und da Angst. Und Verzweiflung, und Schmerz und ich weiß nicht mehr, warum. Das liegt in mir verborgen. Und manchmal, da glaube ich ja selber, dass es schon irgendwie geht. Weil es ja muss. Es muss ja. Und geht doch nicht. Und Stille und Stille. Und diese Stille wird Tag für Tag anstrengender, und gelogener. Bis es zusammenbricht. Wenn das Eis zu Tränen schmilzt, die nicht mehr aufhören. Und ich weiß nicht mehr, wozu das gehört. Es kostet so viel Kraft, diese Wände aufrecht zu halten, es ist schwer und kostet mehr als ich habe, kostet Leben, kostet mich. Und ich kann ja doch nicht anders. Und irgendwann früher, da hatte ich eine Wahl. Und ich weiß es. Und habe mich geirrt. Kann nie mehr zurück. Kann niemals mehr fliehen. Und bin Schuld. An mir. Es tut mir leid.

Stille und Verzweiflung. 
Wann fing das an? Wann hört das auf? 
Ich will wieder atmen können, oder ertrinken. Aber eines von beidem.