Dienstag, 28. Juni 2011

Sprachlos.

Und deine Liebe macht mich noch immer sprachlos, wie am ersten Tag.

Immermüdigkeit

die Stille
im Kopfkissen,
aus dem ich
Federwolken reiße, die Nacht
ist unter mein Bett gekrochen -
als ich nicht schlafen konnte
und ich müde war
noch von den
Lügen von gestern
und heute
und morgen

Montag, 27. Juni 2011

Eiswasser

"Es ist, als ob die Körpertemperatur jeden Tag um ein Zehntel Grad sinkt, und irgendwann wacht man auf, steht nackt im Eiswasser und hat keine Ahnung, wie man da hingekommen ist." 
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,661554,00.html

Endlich Höchstpunktzahl..

.. im Depressionentest. Ich bin schuldig im Sinne der Anklage. 60 von 60 Punkten. Neuer Test. 9 von 10 Fragen mit Ja beantworten müssen. Nächster Test. Ich will nicht! Sich im Auswertungstext verstanden fühlen. 
"Ihre depressive Stimmung überschattet Ihren gesamten Tag. Sie fühlen sich wie gelähmt und kleinste Aktivitäten bringen Sie schon an Ihre Grenzen. Sie haben das Gefühl, keine Kontrolle über Ihre negativen Gedanken und Gefühle zu haben und fühlen sich ihnen ausgeliefert. Sie zweifeln an sich und glauben, ein Versager zu sein. Vielleicht versuchen Sie deshalb auch, sich zusammenzureißen, damit niemand Ihre Lage erkennt. Vermutlich haben Sie kaum noch Hoffnung, Ihr Stimmungstief überwinden zu können."
Haben Sie Schlafprobleme? Denken Sie zwanghaft immer wieder an die selben Dinge? Haben Sie grundlos Angst? Fühlen Sie sich ausgelaugt und leer? Kostet es Sie viel Überwindung, etwas zu tun? Ich bin schuldig. Ich will nicht. Nein. Ich will nicht. 

Neuer Test. Bewerten sie die folgenden Aussagen mit 0 bis 3. 
3 trifft vollkommen zu, 0 gar nicht. 
Ich fühle mich minderwertig. Ich habe Probleme, mich zu konzentrieren. Ich kann mir Dinge sehr schlecht merken. Ich bin erschöpft. Ich bin antriebslos. Ich denke sehr oft daran, mir das Leben zu nehmen. Ich habe kaum noch Interesse an dem, was um mich herum vorgeht. Ich mache mir große Selbstvorwürfe. 
Nur Dreien. Nur Dreien. Überall Dreien. Ich hasse mich. Warum. Warum? Warum? WARUM? Ich will nicht. Ich habe Angst. Warum? Was soll das? Ich will nicht. Ich bin schuldig, so verdammt schuldig. Ich habe Angst. Nein. Nein. Nein. Und dann Luftholen. Atmen. Ein. Aus. Erschöpft. Weiter. Weiter! Nächste Frage. Nächster Satz. 0 bis 3.
Ich leide unter starken Schuldgefühlen.
Ertappt. Wieder Drei. Nur Dreien. 
Sie haben 42 Punkte erreicht.
Jackpot. Black Jack. Kartenhaus. Eingefallen.
"Sie leiden möglicherweise unter einer schweren, behandlungsbedürftigen Depression und benötigen dringend die Hilfe eines Arztes. Suchen Sie Ihren Hausarzt oder einen Arzt für Psychiatrie und Neurologie auf."
Ich will nicht. Ich will nicht. Ich will nicht. Ich kann nicht mehr.
Ich habe Angst. Und dann wieder nicht. Dann ist es egal.  Und dann wieder Angst. Angst. Leer. Angst. Leer. Wut. Ich hasse mich. Angst. Leer. Fragen. Warum? Warum? Ich drehe mich im Kreis. Leere. Antworten. Tränen. Dann wieder nicht. Leere. Leere. Stille. Ich bin müde. Ich kann nicht  schlafen. Nicht schlafen. Ich habe Schlafprobleme. Drei Punkte. 
Anzeichen für Depressionen in Gefühlen: Antriebslosigkeit, Verzweiflung, Angst, Einsamkeitsgefühle, Niedergeschlagenheit, Lustlosigkeit, Gereiztheit, Unfähigkeit, sich zu freuen. Schon wieder verraten. Ertappt. Immer wieder. Jede Falle mein eigen. Angst. Ich habe Angst. Ich bin am Ende. Ich kann nicht mehr. Kann nicht mehr. Kann nicht mehr.  Alarmierend wird es, wenn.. Listen. Punkte. Abgehakt. Jeder einzelne. Alarmierend. Mein Zustand ist alarmierend. Doch wer schlägt schon Alarm? Wer würde mir glauben? Sag! Wer soll mir das glauben! Wer wird das ernstnehmen? Können sie mit ihren Bekannten nicht über ihre Probleme reden? Wer soll mir das glauben? Wo fängt das an? Wo hört das auf? Hört das jemals auf? Ich kann ihr Lachen schon hören. Ich will nicht. Nicht wieder diese Blicke. Bitte. Bitte. Bitte nicht. Warum? Symptomlisten. Suchen, weitersuchen, bis irgendeine nicht auf mich passt. Scheitern. Ich scheitere. Schon wieder gescheitert. ANGST. In roten Buchstaben habe ich es gestern noch in mein Tagebuch geschrieben. Weil  das alles war, was es zu fühlen gab. Ich stehe fein säuberlich aufgelistet. Gegliedert in Anzeichen und Punktscalen. Ich will nicht! 
"Menschen mit einer depressiven Erkrankung haben verschiedenste Angstgefühle: Angst vor der Zukunft, Angst davor, nie wieder gesund zu werden, Angst, aufgrund der Belastung für die Familienmitglieder abgelehnt oder im Stich gelassen zu werden, Angst, den täglichen Aufgaben und Pflichten nicht mehr gewachsen zu sein. Manchmal können Betroffene gar nicht sagen, wovor sie Angst haben. Sie verspüren eine diffuse Angst vor allem und jedem. Diese Ängste sind Ausdruck einer generellen Hilflosigkeit und Ohnmacht, die mit Depressionen einhergehen."
Nächster Test. Nächster Test. Neue Seite. Bitte. Bitte. Warten auf den Freispruch. Vergeblich. Sie haben 33 Punkte erreicht. Aufgrund Ihrer Angaben empfehlen wir Ihnen unbedingt, einen Psychotherapeuten zu Rate zu ziehen.
Ich kann nicht entkommen. Umstellt. Gefangen. Gescheitert. Schon wieder. Ich will nicht. Ich kann nicht. Ich kann nicht mehr. Angst. Angst. Leere. 
Suchen Sie sich Hilfe! Hast du dir jemand gesucht? Wie geht es dir? Bist du eigentlich depressiv? Such dir jemanden. Du musst mal einen Psychologen konsultieren! Sie sind depressiv! Sie sind gefährdet. 60 von 60 Punkten. 43 von 44 Punkten. 9 von 10 Fragen. 12 von 12 Fragen. 51 Punkte. 31 Punkte. Sie leiden höchstwahrscheinlich an Depressionen. Nach Ihren Angaben sollten sie dringend ihren Hausarzt oder Psychologen aufzusuchen. Anna, kann ich dir irgendwie helfen? Anna, du siehst so blass aus? Wie geht es dir? Ich will dir doch nur helfen. Anna, rede mit mir. Es geht dir nicht gut, das merke ich doch. Nächster Test. Punktzahl 31.
Zu viel. Überall zu viel. Zu viel für mich. Für Zufall sowieso. Jeder einzelne verdammte Test. Jedes verdammte Symptom. Jeder einzelnen Seite. Einzeln, so wie ich. Einzeln. Ich bin einzeln. Das Wort "einzeln" geht mir nicht mehr aus dem Kopf.

Fühlen Sie sich einsam? 
 
Ich bin also wieder offiziell psychisch krank. War ich da jemals weg?
Ich will nicht. Ich habe Angst. Nur Angst. Und dann Leere.
Ich will schlafen. Nur schlafen. Und kann doch nicht. Ich kann nicht.
Ich kann nicht mehr. Leiden Sie unter Schlafstörungen? 
Sie haben nur eine Frage mit Nein beantwortet.
Kein Test, der mich anlügen möchte. Ich möchte mich anlügen.
Es geht nicht. Denn eigentlich habe ich es schon lange gewusst.

Ich bin also depressiv. 
Schuldig im Sinne der Anklage. In 9 von 10 Punkten. Nein, mit Höchstpunktzahl.

    Freitag, 24. Juni 2011

    Nachtspaziergang.

    Die Sorgen der Anderen verfolgen mich wie die Autoscheinwerfer hinter mir. Ich gehe nach draußen, um Kälte zu atmen. Durch die Straßen, die nass sind und unter jedem Schritt rauschen. Durch Vierecke suche ich Bilder. Ich muss ein Klicken abwarten, bis ich wieder scharf sehen kann. Und nochmal Klicken, dann reiße ich Blitze in die Leere. Ich fange den Himmel und finde den Mond in deinem Fenster. Wie er neongelb von der Decke hängt, so hell, dass er mich noch hier draußen blendet. Ich bin Licht gar nicht mehr gewöhnt. "Bist du eigentlich depressiv?"
    Ich laufe, und renne manches Stück, bis meine Beine zu sehr zittern. Dann wische ich die Flecken aus meinem Gesicht und das verlaufene Schwarz. Bis ich wieder tränenlos bin und fast glücklich wirke, wenn ich lächel. Ein Kopfnicken. Ein lautes Lachen. Es ist alles gut. Alles gut. Mir geht es gut. Allein durch diese Stadt, die ich schon so sehr gehasst habe, manchmal. So wie ich die Welt gehasst habe, manchmal. Menschen sind anstrengend. Die Lügen liegen irgendwo hinter den Federwolken, die ich aus dem Putz der Häuser reiße. Meine Gedanken im Laternenlicht so hässlich. "Hast du eigentlich darüber nachgedacht, noch einmal in eine Klinik zu gehen?" 
    Die Luft gefriert auf dem Weg zur Lunge. Mein Herz klopft manchmal bis in mein Ohr. Die Straßen elendlang, kling, klang. Und dann Stille. Und Autobrausen. Und der Regen, der durch den Boden fällt, fast ohne Geräusch. "Ich sehe das ja schon länger. Hast du mit jemandem geredet?" Meine Lippen fest aufeinander. Die Einfahrt. Scheinwerfer wie Sterne. Ein Bild. Ich zähle zwölf Blicke hinter mir. Und brauche dreiundzwanzig Versuche, bis meine Hand endlich stillhält. Die Autos, die langsamer fahren. Der Mann, der mein Motiv sein will. Die Laternen haben in jedem Spiegelglas eine andere Farbe. Nur das Schwarz, das bleibt das Selbe. In jedem Haus und auf jedem Weg. 
    "Es gibt so Menschen, die sind einfach grundsätzlich melancholisch." Und morgen wird der Biomüll abgeholt. Der Geruch von Frucht- und Tierleichen liegt schon in der Luft. Und sonst nicht viel, außer ein paar einsamen Stimmen, die irgendwo lachen. Ich glaube, das muss sehr weit weg von mir sein. Ich fange Licht in Punkten zu Flächen zu Farben zu Bildern und nehme es mit nach Haus. Wozu noch Worte? "Depressionen muss man ernst nehmen. Vielleicht wäre es besser, wenn du dir noch einmal jemanden suchst." 
    Das Rascheln in den Häuserecken. Und graue Katzen immer nur nachts. Ich werfe Jahre im Vorübergehen in den nächstgelegenen Abfalleimer. Mein Leben zwischen den Sekunden. Es ist doch alles schon gesagt. "Du siehst immer so fertig aus, wenn ich dich morgens sehe." Tag und Nacht verschwimmen in der Müdigkeit zu einer grässlichen Grimasse. Ich liege ausgespuckt zwischen den Pfützen und warte. Doch der Dreck unter meinen Fingernägeln ist eingebrannt. So wie all diese Namen, die ich aus meinen Büchern reißen kann, aber nicht aus meinem Leben.
    "Aber abgenommen hast du nicht, oder?" Keine Sorge. Keine Sorge. Das ist doch meine Medizin. Man überlebt so vieles gegen seinen Willen. Ich gehe an Fenstern vorbei und kann weder hin- noch wegsehen. Das Essen füllt nicht die Leere. Ich köpfe Vorgartenblumen mit Überlänge. Die Hecken sind nach mir auf Grundstückmaße normiert. Ein Schritt vor den anderen zu setzen, ohne umzufallen. 
    Auf Bordsteinkanten balancieren mit geschlossenen Augen. "Ich hatte auf Borderline getippt." Hoffen, hinzufallen, im richtigen Moment, wenn das Auto schon nicht mehr Bremsen kann. Ich wander zu meinem Herzen und verlaufe mich dabei in einer Sackgasse ohne Wendemöglichkeit. Es ist windig und nass, mir ist nicht mehr und nicht weniger als kalt, ein bisschen und mein Kopf tut weh. Ein ruhiger Moment und drei Seitenstraßen weiter. Bergauf, landab, die immergleichen Krüppelbäume auf Baumleichenstützen. 
    Und vor mir und hinter mir und von hier an bis zur nächsten Straßenlaterne liegt die Dunkelheit. Und irgendwo dazwischen denke ich an das letzte, was mich zum Weinen gebracht hat.  
    "Wie geht es dir eigentlich?"  
    Das weiß ich doch schon lange nicht mehr.

    Donnerstag, 23. Juni 2011

    Froschsein.

    Steck mir Drähte in den
    offenen
    Rücken
    und sieh zu,
    wie sich mein Bein
    verdreht
    und zuckt, bis es wieder
    still ist,
    wie mein totes
    Herz, es ist
    nur dein Messer,
    das nicht aufhört
    mich tanzen zu lassen.

    Mittwoch, 22. Juni 2011

    "Die Lust,
    auf dem Weg in die Stadt
    überfahren zu werden.
    Vom Bus, den du verpasst hast."
     Dirk Gieselmann

    Dienstag, 21. Juni 2011

    Hungersatt.

    meine Welt,
    das ist
    Zuckerguss
    und Streusel
    unvergesslich
    der Hunger
    hinter dem

    grinsenden
    aufgedunsenen
    falschen

    Gesicht ohne Blicke
    der Wille im Kühlschrank
    und ohne Hunger die Tage
    lang

    denn:

    mein Leben,
    das ist
    Hunger
    und Leere
    unvergleichlich
    die Süße
    hinter dem

    bebenden
    verzweifelten
    zutiefumzulebenden

    Schmerz ohne Tränen
    das Blut in der Stille
    und ohne Herzschlag die Adern
    leer

    Montag, 20. Juni 2011

    Schmerzlos

    Gefangen
    zwischen Eis
    und Eis
    und Eis und Aspirin.
    "Ihr Geschrei war nur zu sehen. Sie konnte sie nicht mehr hören. Wenn man ein Wort zu oft hört, dann wird man taub dafür. Das war mit ihnen geschehen. Wenn man ein Gesicht zu oft sieht, wird man blind dafür. Sie streckte die Hand aus und berührte die Wand. Ich kann dich niederreißen."

    Sonntag, 19. Juni 2011

    Weil ich heimweh habe. Und es schon so lange her ist. (Auszug aus meinem Tagebuch, Samstag 13.02.2011)

    In Bremen. Im Starbucks. Earl Grey. Chai Latte. Kaffeeduft. Nordischer Dialekt. Lange Üs. Nech?'s. Eine wunderschöne Altstadt. Und an den Wänden steht lauthals SVW. Ich höre die Trommeln. Und summe im Takt. Dort hinten die Flutlichtmasten. Fanshops. Überall und alles grünweiß. Und die Werderrauten auf den Pullovern. Auf den Taschen. An den Wänden. Auf den Fahnen unter dem Glasdach schon, im Bahnhof. Und die Menschen in den schönsten Schals. Das Stadion. Die Legende. Die Legenden. Leben hier. Und rennen dort. Und grüßen von den Plakatwänden. Wo die Weser ist und wartet und fließt und einen Bogen macht und sich teilt und zurückkehrt. Und eins wird. Und schön ist. Verregnete Wege am Ufer. Beton und Wiesen und Menschen, die grillen. Menschen, die tanzen. "Bremen ist einfach eine Electro- und House-Stadt". Hingesprayte Ailtons. Und Diegos. Und Özils. Und Frings. Und Mertesackers. Und Thomas Schaafs Hände in Eisen gegossen. Auf dem Boden. Und ich stehe ein wenig zu auffällig und zu ratlos da, wenn es Menschen gibt, die darüberlaufen. Einkaufspassage. Der Duft von Crêpes. Ein Mann schreit lauthals Gründe in die Welt hinaus, weswegen man Lose kaufen sollte. Musik. Rotweiß, die Stadt. Grünweiß, die Menschen. Der Schlüssel. Das Wappen. Die Raute. Das W, mit dem man Wunder schreibt. Und immer wieder und überall und alles grünweiß. Die Häuser. Die Menschen. Die Farben. Der Regen, der Regen, der ist das einzige, was mir egal ist. Denn alles hat mich verzaubert. Und ich stehe und grinse und das so sehr, dass immer wieder Menschen stehen bleiben und zurücklächeln, als hätte ich sie gemeint. Und vielleicht habe ich das auch. Denn das ist Bremen. Das alles hier ist Bremen. Und das so sehr. So sehr und so grünweiß. Ich will nie wieder weg. Ich bin zu hause. Endlich zuhause. Danach habe ich doch schon so lange gesucht. Der Durchgang. Die Hochstraße. Der Tunnel. Und ich höre schon vereinzelte Rufe. "Werder Bremen! Werder Bremen! Werder Bremen!" Und möchte am liebsten mitschreien. Vor Glück und vor Liebe und vor Ehrlichkeit. Und schweige, weil ich mich nicht traue. Und liebe und liebe und liebe diese Stadt, im Stillen. Dabei möchte ich genauso lauthals "SVW!" schreien, wie es an den Wänden steht. So grell und bunt und immerwährend. So sehr, bis meine Stimme abbröckelt, wie auch der Putz an manchen Stellen. Wenn Altstadt und Graphitti zu einem Kunstwerk verschmelzen. Aus Stuck und Werderrauten. Und ich sitze im Starbucks, am Anfang und am Ende. Mit Syker Kreiszeitung und Weserkurier. Und halte Sebastian Mielitz in meinen Händen. Und träume. Und Chai Latte. Und dann das Stadion. Schreien. Schreien. Leben. Weil das Bremen ist. Weil ich Bremen bin. Weil ich manchmal ein Esel bin und manchmal ein Hahn. Und manchmal nachts um die Häuser schleiche. Und dann laut krähe und stur bin und stolz bin und treu sowieso. Das Rathaus. Der Roland, natürlich. Das Glockenspiel. Die Meerjungfrau an der Wand. Der Tunnel. Die Treppen. Die Stufen. Gemurmel. Und ich warte, bis endlich Samstag wird. Und lache schon die ersten paar Runden um das Stadion. Ich will hier nicht weg, nicht wieder weg. Bremen, das war von Anfang an zuhause. Die Flutlichtmasten. Menschengruppen. Vereinzelte Rufe schon heute. "Werder Bremen! Werder Bremen! Werder Bremen!" 
    Und morgen, morgen schrei ich mit.

    Samstag, 18. Juni 2011

    Ungelebtes.

    Irgendwo schwimmen in mir noch ein paar Hoffnungen herum, ein paar Träume, ein paar Dinge, ein wenig Leben, eine Menge Ideen und so viele Wünsche.

    Da gibt es manche, an denen ich mich versucht habe und aufgegeben habe, irgendwann. Manche zu früh und manche zu spät und um manche tat es mir am Ende nicht mal mehr leid.

    Und andere, die so sehr an mir nagen, dass ich immer und immer wieder neue Wege einschlage, die zum Ziel führen, oder nicht. Die ich aber auch nicht einfach in Ruhe lassen kann, weil sie eine tiefliegende Sehnsucht sind, die mich vorantreiben. Die unweigerlich immer da sind, und dafür sorgen, dass ich immerzu warte und renne und stehen bleibe und weglaufe und suche und weitergehe, um anzukommen, irgendwann einmal. Bei denen ich manchmal weiß, wonach ich suche. Aber manchmal bin ich auch nur auf der Suche, nach etwas, das irgendwie besser ist oder wenigstens anders. Nach dem Gefühl irgendwann, irgendwo irgendwie anzukommen. Nach hause zu kommen.

    Und dann gibt es da noch diese Träume, die ich mich nicht traue anzusehen. Und die ich, wenn sie unweigerlich aufblitzen, dann einfach schnell wieder wegschiebe. Weil es eben solche Träume gibt, die ich nicht haben möchte, weil ich weiß, dass der Weg dahin so schwer und vielleicht sogar unmöglich ist. Träume, an die ich lieber nicht mein Herz hängen möchte, aus Angst, es zu verlieren. Die einfach zu schön sind. Bei denen ich lieber erblinden möchte, um so zu tun, als gäbe es sie gar nicht. Um ihre Schönheit ignorieren zu können. Um so zu tun, als wäre da nicht dieser große Wunsch, dieser eine Gedanke, diese eine verzweifelte Hoffnung. Bei denen ich den Kopf so lange schüttele, bis sie hoffentlich herausfallen, eines schönen Tages.

    Solche Träume, bei denen ich alles dafür geben würde, dass sie aus meinem Leben verschwinden. Die ich nicht versuchen kann, weil es zu sehr wehtun würde, zu scheitern. Weil ich scheitern würde. Weil ich Angst habe, was passiert, wenn es so wäre. 
    Wovon würde ich träumen? Je wieder träumen können, wenn all meine Wünsche zerschlagen sind? Wenn ich alles aufgeben müsste, was ich mir immer gewünscht habe?

    Solche Träume, die unaussprechlich sind, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Ohne damit alles offenzulegen. Ohne so viel preiszugeben und hinnehmen zu müssen, dass man doch eben ein kleines, verletzliches Wesen ist, mit viel zu hoch gesteckten Zielen. Weil ich nicht wissen will, was die anderen darüber denken. Weil ich nicht damit leben kann, dass es vielleicht nicht das Richtige sein könnte. 

    Und so verbringe ich mein halbes Leben damit, Wünsche zu ignorieren, Träume zu negieren und in dem Versuch, blind und taub und gefühllos zu sein.

    Weil ich diese Träume weder loslassen noch anpacken kann. Die mich nicht loslassen, egal wie sehr ich es mir wünsche, wie sehr ich wegrenne und mich verstecke. Wie oft ich mir auch Alternativen ausgedacht habe, die aber eben doch nie mehr waren als Ersatzlösungen und in Wirklichkeit weder Ersatz noch Lösung. Diese Träume gehen nicht.

    Und ich bin zu feige, es zu versuchen.
    Weil ich Angst habe. 
    Ich will nicht scheitern, nicht schon wieder, nicht daran.
    Ich will mir mein Leben nicht ohne diese Träume vorstellen. 
    Ich will immer im Gedanken leben, dass ich es ja nur nie versucht habe. 

    Ich will diese Türen und Fenster, die vielleicht in Wirklichkeit auch nur ein kleines Loch in der Wand sind, nicht schließen. Ich will hier weiter in meinem Gefängnis leben, in dem ich nur sitze und rausschauen kann, was da draußen wäre.  Ohne jemals vor die Tür zu gehen. Ohne einen einzigen Schritt zu wagen. Dieses Gefängnis, das ich mir selbst gebaut habe, dass wehtut und einsperrt. Und manchmal traue mich nicht einmal mehr, die Wände zu begutachten, aus Angst, da könnten noch mehr Fenster sein. Hinter denen es schön sein könnte. So schrecklich schön. Und unerreichbar. Ich will nicht scheitern. Ich will es nicht versuchen. Ich habe Angst.

    Dabei sind die Türen unverschlossen. Nur meine Füße sind gefesselt. Und das Schlimme ist, dass ich das selber war. Dass ich mir meine eigenen Wünsche versage. Dass ich, selbst wenn ich könnte, nicht mutig genug wäre, um aufzustehen. Dass ich nicht mal genau weiß, ob ich aufstehen könnte, wenn ich es denn versuchen würde. Ob ich gehen könnte. Durchs Fenster entkommen könnte.  Ob hinter der Tür vielleicht etwas ist, dass auf mich wartet. Weil das alles zu schön wäre, zu schön, um daran zu scheitern.

    Und so verbringe ich mein halbes Leben ungelebt.

    Rückfahrtticket

    "[..] Stattdessen habe ich die Reise in die innere Emigration angetreten. Das ist weder ein Erholungsurlaub noch ein Ausflug mit angenehmer Gesellschaft. Eine Depression ist der Keuschheitsgürtel unter den Urlauben. Man arrangiert sich mit sich und kommt anfangs recht, später schlecht mit sich aus. Am Schluss eigentlich gar nicht mehr. Der Aktionsradius im selbst auferlegten Mikrokosmos wird immer kleiner. [..]

    Vor drei Wochen habe ich nun das Rückfahrticket gebucht. [..]"

    Stadtneurotiker

    Freitag, 17. Juni 2011

    "Auf Knien deinen Hut abnehmend.
    Wie Arbeiter, die unter Wellen tauchten.
    Düstere Anatomie mit all ihrer
    Schönheit, eingebettet in die Worte.
    Sand zwischen deinen Fingern
    Sonne auf deinen Gesichtern:
    und deine Blicke in den morschen Schiffen die wir
    nutzten um den ganzen Wolkenbrüchen zu entgehen
    die auf unsere Köpfe fielen
    Mit Porzellanlippen über deinem Gehirn
    mit Rebellen in deiner Familie und
    nebligen Gedanken von Tragödie und Verlust.
    Auf Gruppenfotos voller leerer Menschen.
    Ich gebe dir mein Wort, zu schweigen.
    Ich gebe dir mein Wort um zu schweigen.
    Alchemie und versteckte Werke
    Recherchen für Familienportraits
    und deine tote Mutter hält ihre toten
    Hände aus dem Totenbett
    Namen, die wie Trauergestecke geflochten werden
    in gekränzte Bücher voller verschlossener Seiten
    und Füße die ahnend über Korridore huschen wie
    vergessene Ahnen in alten Tagen
    Küss mich auf die Erde und
    wirf mich weg und schieb den
    Mond vor die Sonne und glaube
    deinen Taten und sonst keinem
    sonst keinem."
     flimmern

    Mittwoch, 15. Juni 2011

    Neben dir sein.

    An deinem Rücken liegen. Die Hand ausstrecken. Einatmen. Überall du.
    Mein Fuß an deinem Bein hinauf. Ein wenig Stoff. Ein wenig weniger.
    Meine Arme fest um dich geschlungen.
    Meine Hände weiter, weiter, bis zu dir. Bis sie da sind, wo dein T-Shirt war.
    Ich atme ein. Ich atme dich. Ich atme nie wieder. Und immer wieder.
    Dein Duft. Meine Hände. Meine Zehen. 
    Deine Stimme wie Honigtropfen.
    Sanft und klebrig, so weich und golden. Auf meiner Haut. Und darunter.
    Meine Nase in deinem Haar. Meine Hände. Deine Lippen. Noch nicht.
    Dein Rücken. Sehe ich jeden Muskel, und deinen Hals. Und deine Schultern.
    Und alles. Und alles - das bist nur du. Das ist nie genug.
    Will ich mehr und nur dich. Nur dich und nie wieder.
    Nie wieder atmen müssen, ohne dich. 
    Meine Hände. Dein Rücken. Kann nicht warten.
    Und warte. Und leise. Und Flüstern. Und du. Überall du.
    Meine Fingerspitzen. Bin ich hungrig.
    Und du atmest aus. Ich atme ein. Ich atme dich.
    Deine Hand. Meine Hand.
    Und dann eine Drehung. Und dann deine Augen. Ein Lächeln im Dunkeln.
    Und schließlich dein Kuss.

    Dienstag, 14. Juni 2011

    "Du willst mich einsperren."
    "Ich will dich lieben, Holly!"
    "Das ist das Selbe."

    (Frühstück bei Tiffany's)
    "Immer zu viel oder zu wenig in mir."

    (Kettcar)

    Montag, 13. Juni 2011

    Wortlos

    Seit vier Bildern habe ich kein einziges Wort mehr von dir gehört.
    Vier wütende Bilder mit lauten Farben.
    Und mein Gesicht ist ganz bunt und klebrig.
    Tränen und Wimperntusche und Farbe.
    Alles ist ein einziges Schwarz geworden.
    Die Musik dreht sich im Kreis.
    Meine Gedanken rennen, ohne zu gehen.
    Immer in Sichtweite das Brett vor meinem Kopf.
    Ein Schrei, der nirgends ankommt.
    Nackt. Allein. Weinend.
    Will ich die Bilder am Liebsten zerreißen.
    Aber es sind ja Leinwände und ich so schwach vor Müdigkeit.
    Dein Schweigen und der Schmerz.
    Der sitzt irgendwo zwischen Kopf und Bauch und Herz und Liebe.
    "Warum tun einem die Menschen am meisten weh, die man liebt? -
    Weil sie es können."

    Spurensuche

    Auf meinem Nachttisch die Handcreme, als Erinnerung. Meine Haut zerfällt dennoch mit jedem Tag mehr. Vertrocknet langsam und wird rissig, wie altes Gemäuer, in dem schon Geister neben den Insekten wohnen. Meine Gedanken verfangen sich in den Spinnweben.
    Auf meinen Beinen ziehen sich rote Striemen bis zum Knie und wieder zurück. Meine Fingernägel fahren wieder und wieder in immergleichen Linien über die Haut. Zeichnen die Spuren nach, die du dort niemals hinterlassen hast. Von den Zehen bis zum Knie und dahinter. Zum Oberschenkel und zu dem Leberfleck, den nur du kennst.
    Ich weiß immernoch, wie deine Lippen so weich auf meiner Haut waren. 
    So weich, das mein einziger Wunsch war, sie würden für immer da bleiben. 
    Sie sind gegangen.
    Meine Hände versuchen, sie wiederzufinden und greifen ins Nichts.
    Und mit jedem Versuch hinterlasse ich mehr offene Wunden auf meiner leichenleeren Haut.  Die Striemen werden mit jedem Schritt tiefer, bis sie durchbrechen, irgendwann. Weil nach deinen Küssen diese Leere kam, die ich nicht kannte, oder die ich schon kannte, aber anders. Und nichts konnte diese Risse stillen, die sich seit dir durch meinen Körper ziehen.
    Und nichts tat je wieder so weh, wie der Moment, in dem du deine Lippen von mir gelöst hast.
    Und ich mich mit jedem Atemzug nur weiter von dir entfernte.
    Ich ziehe geduldig neue Narben in meine Haut, die ich dort nicht haben will. Bis meine Beine ganz rot sind und an manchen Stellen noch dunkler. Bis ich brenne, überall. Und längst nicht nur dort, wo du warst.
    Und als ich dann aufschrecke, weil meine Hand aufeinmal ganz nass ist, von dem Blut. Und meine Beine verschmiert. Und ich aufschrecke, weil ich es nicht bemerkt habe. Weil ich mich an das Brennen gewöhnt habe und an den Schmerz, nicht aber daran, dass du fehlst. Denn nach dir bin ich genauso verdörrt und gerissen, wie meine Haut jetzt. 
    Du hast mich hungrig gemacht.
    Und du hast keine Spuren hinterlassen.
    Nur diese Leere.
    Die nichts durchbrechen kann, außer dir.
    Nichts außer dir.
    Nichts.
    Und nichts tat je wieder so weh, wie dieser eine Moment, als dein Mund mich allein ließ.
    Und nichts von dir blieb.

    Samstag, 11. Juni 2011

    Ich wollte doch nie wieder,
    nie wieder so schwach,
    nie wieder so abhängig sein.

    Und nun liebe ich wieder.

    Klavierunterricht

    Ich sitze da und kann meine Hände einfach nicht bewegen. Mein Handgelenk kennt keine Entspannung. Es liegt steif und schwer auf der Tastatur. Die Töne klingen hölzern und nicht nach Musik. 
    Meine Finger wie die Hämmer unter den Tasten. 
    Mechanischer Anschlag. Gefühllos und kalt.
    Ich kann nicht loslassen. 

    "Mach dein Handgelenk doch mal locker! Lass mal bitte einfach zur Übung die Hand in der Luft fallen!"

    Doch ich habe Angst. Meine Hand schwebt in der Leere. Hält mitten im Fall inne. Bleibt stehen. Fällt nicht. Es gibt einen Punkt im Leben, an den man keinen weiteren Sturz erträgt. Bin ich verbittert?
    Meine Hand steht über der Taste. 
    Bewegt  sich nicht. Berührt nicht das Elfenbein. Kein Ton.
    Verklemmte Stille. Berührungsangst. Ich will nicht laut sein, ich will verschwinden. Ohne jeden Klang. Und wenn ich die Tasten berühre, dann ist das nur laut und schrill.  

    "Versuch es nochmal! Merkst du, wie schön das klingt, wenn du lockerer bist?"

    Doch es klingt nicht schön. Es klingt nicht.

    "So richtig loslassen, so richtig locker sein fällt dir schwer, oder? Naja, manche Sachen kann man ja auch nicht ändern. Aber merkst du, wie viel besser das klingt?"

    Ja, manche Sachen bleiben, ob man will oder nicht. 
    Werde ich mich je wieder fallen lassen können?
    Je wieder vertrauen können, ohne jede Angst?

    "Guck doch mal, ich gebe dir jetzt mal meinen Arm. Du darfst damit machen, was du willst, siehst du? So locker muss dein Arm sein!"

    Ich kann das nicht.
    Ich kann nicht. 
    Ich habe Angst.
    Ich will nicht laut sein und schrill. 
    Ich glaube, ich möchte lieber nicht sein. 
    Darf ich das? Darf ich gehen?
    Das ist keine Musik.
    Es sind nichtmal Töne.
    Wieder liegt jeder Finger auf seiner Taste.  
    Doch als ich die Tasten drücke, kommt kein Laut heraus.

    "Da ist doch gar keine Kraft dahinter. Mehr mit  dem Arm arbeiten. 
    Das ist , weil euch  das so antrainiert wurde, diese Zurückhaltung. Aber Klavierspielen, das ist nicht nur die Hand. Das muss der ganze Körper sein!"

    Mein ganzer Körper. Das ist zu viel!
    Ich bin doch alles, was ich hab'. 
    Der Einsatz ist zu hoch. 
    Ich kann nicht. 
    ICH HABE ANGST!
    Wovor?
    Zu verlieren.
    Zu verlieren!
    Davor, davor habe ich Angst.
    Was zu verlieren?
    Mich, vielleicht.
    Zu fallen, vielleicht.
    Ich bin doch.. ich bin doch..
    alles, was ich hab'.

    "Du darfst nicht so ängstlich spielen! 
    Mehr Mut! Mehr Kraft!"

    Woher?
    Ich wünschte, ich könnte das.
    Laut sein, ohne mich zu schämen.
    Doch ich schäme mich, obwohl ich doch leise bin.
    Kein Ton. Keine Musik.
    Ich bin die Stille.

    "So ohne jede Kraft kann das doch nichts werden. Das wird doch keine Musik!"

    Keine Musik.

    Ich möchte aber lieber nicht sein.
    Sag mir, darf ich das?
    Darf ich gehen, ohne jeden Klang?

    Freitag, 10. Juni 2011

    Und wenn dann das Meer fehlt,
    wovon soll ich träumen?
    Die Nacht war still, ohne heilig zu sein.

    Wo bist du?

    Wachliegen. Da ist es wieder.
    Das Loch in mir. Auf die Uhr sehen.
    Und geht nicht mehr. Ich warte. Und warte.
    Es bleibt. Ich will nicht. Ich will weg.
    Ich will nicht!
    Die Zeit hat aufgehört zu ticken.
    Quälend. Ich warte.
    Wo bist du? Ich laufe.
    Nachttischlampe. Das Buch.
    Dein Duft fehlt.
    Das Fenster. Die Luft, die kalt ist, ohne frei zu sein.
    Dein "Gute Nacht" versickert in den Windungen meines Gehörs.
    Bleibt hängen und kommt niemals an. Wird niemals wahr.
    Wo bist du?
    Das Rauschen. Ein Fahrrad quietscht. Autos fahren.
    Menschen grölen. Menschen leben.
    Und ich liege da. Nur da. Und warte.
    Und wenn man ununterbrochen sucht, ohne jemals zu finden.
    Wenn man wegrennt, immerzu, ohne zu rennen.
    Wenn man fortgeht, ohne irgendwo anzukommen.
    Wenn man verschwindet, ohne gewesen zu sein.
    Und sucht. Und wartet.
    Wachliegt, weil das Herz eben doch halbleer ist und nicht halbvoll.
    Wenn selbst die Zeit keinen Schritt mehr gehen kann.
    Dann ist das die Nacht.
    Nacht ohne dich.
    Gelächter. Gespräche. Der Geruch von Regen.
    Menschen, die leben.
    Bin ich stattdessen wertlos ohne dich.
    Wo bist du?

    Donnerstag, 9. Juni 2011

    Tropfen wie Gitter

    Morgens in der Bahn. Der  Schatten überbrückt nicht die Leere.
    Versickert im Abfluss. Weiß statt dem Dunkel.
    Die Straßen im Fenster. Nass und klebrig.
    Der Regen gefallen. Weil nichts lange oben bleibt.
    Der Wasserdunst am Fenster. Schon zu Tropfen.
    Gläserne Wände. Gefangen und weiß.
    Die Welt nur noch schwach.
    Schwach zu sehen, zu fühlen. Was ist Schmerz?
    Meine Hand zeichnet Spuren.
    Und Namen. Namen.
    Die verlaufen. Und Tropfen. Wieder Tropfen.
    Und Tropfen wie Gitter.
    Schmelzwasser hängt leise an den Regenrinnen.
    Den Fenstersimsen. Am Ende am Boden und auf die Wege.
    Die nirgends mehr führen. Und zu keinem Ziel.
    Stille? Nein, Gelächter. Worte, die so wertlos sind.
    Und um mich überall und an meinen Fingern -
    gläserne Wände.
    Ich wünschte, sie würden immer da sein.
    Schmelzwasser. Im Nebel versunken sind Berg und Prophet.
    Schon lange allein.
    Wie Gitter? Gefangen.
    Und das Gras so grün.
    Und verschwommen, ganz nass.
    Wie meine Hände
    von den Namen
    von dem Schmelzwasser
    und dem Blut.
    Was ist Schmerz?

    Mittwoch, 8. Juni 2011

    Und ohne die Nacht,
    Und ohne den Schlüssel, -
    Wohin kann ich fliehen?

    Dienstag, 7. Juni 2011

    Spiegelgedanken

    Ich stehe vor dem Spiegel. Und wieder hasse ich all das, was ich sehe.

    Seit Tagen schon werden meine Augen immer schwärzer. Mein Gesicht immer weißer. 
    Die Wangen ziehen sich langsam zurück. Will ich meine Ohren zuhalten. 
    Will ich schlafen, nur schlafen und habe doch keine Zeit. 
    Und sitze da. Und werde immer farbloser. Leer. Leer. Leer. 
    Ohne dich. Ohne mich.

    Im Spiegel dieses hassenswerte Gesicht. Und das Nichts.
    Im Hintergrund, leise. Singt schon in mein Ohr. Und saugt mich aus.
    Mein Kopf ist schon ganz still. Und schwer. Obwohl nichts darin ist.
    Nichtmal mehr Bilder, denn die sind alle schon lange herausgefallen. 
    Die Bilder, die sind weg. Die Zahlen, weg. Die Schmerzen, weg.
    Leer. Leer. Leer.

    Und es tut nicht weh. Es tut nicht gut. Ich kann nicht mehr. 
    Ich habe keinen Grund. 
    Ich habe nicht eine einzige Ausrede mehr. 
    Warum ich nicht weiterkomme. Nicht weiter will. Bin ich leer und warte.
    Der Geist im Spiegel. Verzerrt und müde. Blass. 
    Das einzige Bild, das geblieben ist. Und ich hasse es.

    Ich hole den Abdeckstift. Den Puder. Das Rouge. 
    Ich sehe noch immer die Narben.

    Lippenstift. Wimpernzange. Lidschatten. Mascara.
    Mehr Rouge. Mehr Farbe. Bis die Leere bunt wird.

    Bis diese Leiche aus meinem Leben verschwindet.

    Die Hochsteckfrisur. Das rote Kleid. 
    Die fetten Beine. Und deine Stimme fehlt.
    Weiß. Weiß. Das Weiß sehe ich noch immer. 

    Leer. Leer. Leer.

    Und dann zerkratze ich meinen Rücken mit dem Sandpapier, bis er blutet.
    Und endlich, endlich tut es wieder weh.

    Dein Wasser sein.

    Als ich dich dort
    am Ufer sah
    und dann nie wieder.
    Und immer wieder
    verloren war -

    und deine Augen stumm
    und deine Lippen taub.
    War ich noch mehr,
    war ich das Meer
    in deinen Ohren.

    Das leise Rauschen,
    als du ertrankst.

    Montag, 6. Juni 2011

    Sonntag, 5. Juni 2011

    Misstrauen

    Dann rufst du an und jedes Wort eine Anklage. Und mein Lächeln zerfließt zu Tränen und Dreck. Ganz lautlos wird mein Gesicht so schwarz, wie der Himmel um mich. So dunkel. Machen deine Worte mich allein. Dabei bin ich unschuldig. Doch dein Misstrauen kennt keinen Freispruch. Und sie machen mich müde, diese immergleichen Fragen. Sie machen mich ratlos. 
    Und ich lege das Telefon aus der Hand, weil es so weh tut.
    Und du denkst, es wäre mir egal. Und wirst immer härter in deinen Worten, dabei bin ich schon lange und so tief verletzt.
    Liege ich auf dem Boden und du denkst, ich wäre wieder nicht da.
    Als ob ich immer fehlen würde. Und nie Zeit hätte. 
    Und immer und nie in all deinen Sätzen.
    Tust du so, als ob. Und bestrafst mich für jeden deiner Gedanken mit einem Tonfall, der mich weinen lässt. Obwohl die Worte gar nicht schlimm sind. Tut es mir doch weh, dich so zu hören. 
    Ohne jede Sanftheit.
    Und ich schweige, und du denkst, ich höre nicht zu.
    Dabei würde ich gerne weghören, wenn ich nur könnte.
    Wenn deine Worte manchmal das Messer sind, und nicht der Balsam.

    Samstag, 4. Juni 2011

    Ungesagtes.

    Dass ich es manchmal nicht aushalte, wenn deine Stimme wieder weg ist.
    Dass ich dann manchmal anfange zu weinen, weil die Nacht so still ohne dich ist.
    Dass ich manchmal nach hause renne, um dich anrufen zu können, weil ich es plötzlich nicht mehr ertrage, allein zu sein.
    Dass ich deswegen mir manchmal Ausreden ausdenke, um meinen Freunden zu sagen, dass ich gehen muss und jetzt sofort und nicht warten kann, nicht länger.
    Dass ich dich so sehr vermisse, dass ich morgens nicht aufwachen will, weil du mir in meinen Träumen so viel näher bist.
    Dass es manchmal so sehr wehtut, dass ich nicht reden kann und nur schweige und schweige und meine Lippen so schmal werden, dass ich manchmal Angst habe, dass sie ganz verschwinden.
    Dass mich das manchmal so müde macht, das Menschen glauben, ich würde krank sein, und sich Sorgen machen, und fragen ob alles gut ist.
    Und ich Ja sage, obwohl das eine Lüge ist.
    Dass du mir so sehr fehlst, dass ich es nicht aushalte, nachts zu hause zu bleiben und stattdessen rausgehe, tanze und lache als ob nichts wäre. Weil ich nicht hier in diesem Zimmer bleiben kann, das schon lange nicht mehr nach dir riecht.
    Dass ich dann lache und lache, bis die Dunkelheit mich wieder einholt.
    Und ich wieder jeden einzelnen der vierhundertsechsundzwanzig Kilometer zwischen uns fühle und wieder stumm werde. Und dann auf einmal nach hause muss, sofort.
    Dass ich dann renne und schneller, immer schneller nach hause.
    Obwohl du dort nicht bist und nicht wartest und schon alle Spuren von dir verwischt sind.
    Dass ich es einfach nicht aushalte, nicht noch länger und ohne dich.
    Dass ich keinen einzigen Streit von uns ohne Wunden überlebe.
    Dass ich nicht einen Moment lang übersehen kann, dass ich nicht bei dir bin und es dauert und dauert bis ich das sein kann. Bis ich da sein kann. Wo ich sein will, jeden Moment.
    Dass ich weine, manchmal, heimlich, wenn du anrufst, weil ich so glücklich bin und es trotzdem so wehtut, dass das alles ist.
    Dass ich meine Arme ausstrecken kann, solange wie ich will und bis es mich nur noch weiter zerreißt und ich trotzdem nie ankomme, bei dir.
    Dass ich ohne dich nur leer bin. So leer wie das Bett neben mir.
    Dass ich mir manchmal den Bauch halte, um sicherzugehen, dass das Nichts, das dort drinnen ist, mich noch nicht aufgefressen hat.
    Dass ich nur deshalb manchmal nicht anrufe, weil ich noch einen Moment so tun möchte, als gäbe es nichts, was mir fehlt.
    Dass ich, seitdem ich dich kenne, wieder etwas zu verlieren habe.
    Dass ich verliere, ununterbrochen  und immer wieder. Mich und dich.

    Habe ich dir das je gesagt?