Dienstag, 23. August 2011

Ein Nachruf

Das bist du, oder? Das warst du, oder? 
Du warst nicht glücklich. Ich konnte dir nicht helfen.
Niemand kann helfen. Du warst allein, wie wir alle, die wir anders sind.

Deine letzten Worte an die Welt waren entschlossen. Und vielleicht, sicher sogar, hast du wirklich etwas getan, was du schon lange tun wolltest. Und vielleicht, sicher sogar, hast du geglaubt, es sei das Richtige. Die einzige Möglichkeit, die Trauer zu beenden. Aus der ich dir nicht heraushelfen konnte, in der kurzen Zeit die wir uns kannten.

Wir kannten uns nicht lange und wir kannten uns nicht gut. Aber der Schmerz, den kannten wir beide. Ich weiß noch, wie du damals die Klinik verlassen hast. Ich weiß noch, wie ich daran verzweifelt bin, dass ich dir angesehen habe, dass es zu früh war. Dass du noch nicht so weit warst. Aber deine Unterschrift und sie mussten dich gehen lassen. Wie ich Angst hatte, um dich und wie es weitergeht. Denn du warst nicht glücklich und du bist es nie geworden.

Ich habe dich nie weinen, aber bluten sehen. Und in dieser Welt hast du nie etwas gefunden. Vielleicht war genau das auch der einzige Weg für dich. Vielleicht gab es wirklich kein Glück auf dieser Welt für dich. Auf dieser Welt, die viel zu schrecklich war und zu grausam für einen Menschen, so wundervoll wie du. 

Wir kannten uns nicht lange und wir kannten uns nicht gut.
Aber wir lebten in einem Zimmer. Zwei Monate lang habe ich deine Musik gehört und deine Wunden geteilt. Den Schmerz gesehen und nicht heilen können. Zwei Monate, bis du gingst. Und danach habe ich dich nur manchmal gesehen, unterwegs, auf der Straße. Und dein Gang war gebeugt und dein Blick war schwer. Deine Worte federleicht und dein Lächeln zu schön um wahr zu sein. Der Abgrund dahinter. 

Und ich verstehe, warum du nicht bleiben konntest.
Und dann war die Welt, in die du zurückgekommen bist, doch genauso unfrei wie die Klinik. Und du bist ebenso an ihr verzweifelt. Ich habe dich damals gefragt, ob du denn wirklich glaubst, dass du es dort draußen schaffst. Und habe gebetet und gefleht, dass es so wäre. Und du hast geantwortet, Anna, hast du gesagt, aber hier halte ich es nicht mehr aus. Und ich habe verstanden. Und ich habe gehofft, es würde besser, dort draußen. Denn aufhalten konnte ich dich ebenso wenig wie jeder andere. 
Niemand kann das. Niemand kann helfen.

Und deine Unterschrift allein hat dich in diese Freiheit geführt, die ja doch keine war. Die ebenso unerträglich gewesen sein muss, wie die Gefangenschaft davor.

Und ich verstehe, warum du nicht bleiben konntest.
Nicht in der Klinik und nicht in dieser Welt.

Wir kannten uns nicht lange und wir kannten uns nicht gut.

Ich konnte dir nicht helfen.
Ich hätte mich gerne von dir verabschiedet. 

Und ich hoffe, dass, wo immer du jetzt bist, all der Schmerz ein Ende hat.
Dass du Ruhe findest, all die Ruhe, die du im Leben nicht kanntest. 
Dass du nun frei bist. Dass du findest, wonach du vergeblich gesucht hast.
Dass die Suche ein Ende hat.
Dass diese Stille eine bessere ist.

2 Kommentare:

  1. ogott ist das traurig. ich muss fast weinen. diese ausweglosigkeit. wenn das leben nur ein aushalten ist. was nützen da hohle phrasen und durchhalteparolen.

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  2. Es ist schwierig, wenn man merken muss, daß die Welt nicht für einen geschaffen ist.
    Aber wie groß muss die Verzweiflung sind, wenn man diesen Weg gehen muss?

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