Samstag, 13. August 2011

Offenheit

Vertrauen schafft Nähe, sagt man. Und den Menschen, denen man nahe steht, denen man jenes Vertrauen entgegenbringt, denen kann man ja auch am meisten von sich erzählen. Mit denen kann man über die Probleme am besten reden, denen fühlt man sich verbunden. Jedenfalls sagt man das so. Zu denen könnte man offen und ehrlich sein. Und ja, ich bin bewusst in den Konjunktiv gewechselt. Weil ich zu denen, die mir nahe sind und die immer für mich da sind, entgegen aller Logik weder offen noch ehrlich bin. Ganz im Gegenteil.
 
Und würde ich euch, die ihr das lest, persönlich kennen, ich würde euch genauso belügen und etwas vorspielen, wie all den anderen. Ihr würdet eine glückliche, selbstbewusste Frau erleben. Die oft Witze macht, viel lacht und selten pünktlich kommt, aber immer mit einem Lächeln auf dem Lippen. Die etwas hyperaktiv wirkt, und oft euphorisch. Die dann manchmal plötzlich unglaublich müde ist, sicher, aber das würde euch kaum auffallen. Ihr würdet nicht wissen, dass ich zu spät komme, weil ich wieder unvermittelt angefangen habe, zu weinen und das Zeit braucht, das alles wieder zu kaschieren. Ihr würdet nicht wissen, dass ich, sobald ich allein bin, hemmungslos losheule. Dass das auch unterwegs passiert, auf Zug- und Restauranttoiletten. Ihr würdet euch vielleicht wundern, warum ich immer meine Tasche mitnehme, wenn ich auf Toilette gehe.

Würdet mich vielleicht für eitel und oberflächlich halten, weil ich mich nicht ohne Makeup aus dem Haus traue. Und weil ich manchmal Ewigkeiten brauche, um etwas zum Anziehen zu finden, in dem ich mich zwar immernoch schäme, aber nicht mehr so sehr. In dem ich mich in die Welt hinaustraue. Mit viel Musik und großer Anstrengung. In dem ich mich zwar immernoch häßlich und widerlich fühle, aber ich muss ja meine sichere Wohnung verlassen. Ich habe ja keine Wahl.

Ihr würdet nicht wissen, dass ich manchmal zu sehr geschminkt bin, nicht weil ich es schön finde, sondern weil ich es an manchen Tagen nicht ertrage, mich in meinem Gesicht zu erkennen. Dass ich morgens viel Zeit brauche, um doch nicht wirklich wach zu werden. Dass ich aufstehe, und schon keine Kraft mehr habe und es lange dauert, bis mein immer müderes Gesicht nicht mehr so leer aussieht, wie ich bin. 
 
Ihr würdet weder wissen noch erahnen können, wie anstrengend jedes Lachen ist. Ihr würdet mich für glücklich halten. Ja, ihr würdet es nicht merken.
 
Denn den Menschen, denen ich nahe bin, zu denen kann ich nicht ehrlich sein. Und wenn ich erzähle, es doch einmal versuche, zu erzählen, wie es mir geht, dann sind ihre Blicke so unerträglich schwer. Ich kann es nicht ertragen, dass sie dann ebenso unglücklich aussehen, wie ich bin. Dann rede ich nicht weiter, kann nicht weiter reden. Und dann beginnt wieder das Lächeln, und dass ja alles gar nicht so schlimm und bestimmt bald besser ist. 

Dann rede ich von Hoffnung, die ich nicht habe.
 
Ich kann nicht mehr reden, mit Menschen, die mir wichtig sind. Und es werden weniger. Einer der vielen Gründe, warum ich diesen Blog schreibe, ist, weil ich nicht anders als schreiben kann. Weil ich es brauche, das alles irgendwohin loszuwerden. Ein anderer ist, dass ich hier ehrlich bin. Diese Anonymität gibt mir eine Offenheit, die ich im echten Leben verlernt habe.


5 Kommentare:

  1. "Dann rede ich von Hoffnung, die ich nicht habe." Ich glaube, kein Satz kann do gut sagen, wie ich mich im Moment fühle, wie dieser. Danke. Und ich weiß nicht, ob alles gut wird und ich weiß nicht, ob wir irgendwann wieder an die Hoffnung glauben können, aber... zu wissen, dass ich nicht die einzige bin, die sich so fühlt, macht es möglich, noch einen Schritt zu gehen.

    AntwortenLöschen
  2. Wie lange geht es dir schon so? Hast du schon daran gedacht, dir Hilfe zu besorgen? (Idiotische Frage, bestimmt hast du das.) Du weißt sicher auch, dass das anonym geschehen kann.
    Es macht mich nur immer traurig, wenn Leute dauerhaft unglücklich sind und das irgendwann einfach hinnehmen. Denn so muss es nicht sein. Man kann sich helfen lassen, wie man es auch bei einem gebrochenem Bein tut.
    Ich kenne einige Menschen, die ähnliche Probleme wie du haben, von denen man das nie denken würde. Die eben auch dieses Lächeln und Selbstbewusstsein aufsetzen, von dem du schreibst. Du bist da gewiss nicht alleine mit. Du musst nur für dich selbst entscheiden, ob du so auf Dauer leben möchtest/kannst oder dich im realen Leben einer Person öffnest, die dir helfen kann, damit du diesen Teufelskreis loswirst und es einfacher wird. Ich wünsche es dir.

    AntwortenLöschen
  3. @setthefire (Habe gerade selber vergessen, wie man auf Kommentare antworten kann.)

    Ja, ich habe tatsächlich vor Kurzem den ersten Schritt Richtung "Hilfe holen" getan. Ich habe einen Zettel bekommen, auf dem die Worte "Depression", "Überweisung" und "Psychiatrie" stehen. Und darauffolgend nächste Woche ein erster Psychiatertermin. Es ist also in Arbeit. Und insgesamt wurde mir ein Klinikaufenthalt nahegelegt. Was ich wohl auch so machen werde.

    AntwortenLöschen
  4. Das freut mich sehr. Ich finde das mutig von dir und weiß, dass das nicht einfach ist. Aber bald wird es wieder bergauf gehen und es wird wieder schöne Momente geben. Es ist schwer sich das selbst vorzustellen, aber es ist so. Ich drücke dir auf dem Weg die Daumen!

    AntwortenLöschen