Montag, 13. Juni 2011

Spurensuche

Auf meinem Nachttisch die Handcreme, als Erinnerung. Meine Haut zerfällt dennoch mit jedem Tag mehr. Vertrocknet langsam und wird rissig, wie altes Gemäuer, in dem schon Geister neben den Insekten wohnen. Meine Gedanken verfangen sich in den Spinnweben.
Auf meinen Beinen ziehen sich rote Striemen bis zum Knie und wieder zurück. Meine Fingernägel fahren wieder und wieder in immergleichen Linien über die Haut. Zeichnen die Spuren nach, die du dort niemals hinterlassen hast. Von den Zehen bis zum Knie und dahinter. Zum Oberschenkel und zu dem Leberfleck, den nur du kennst.
Ich weiß immernoch, wie deine Lippen so weich auf meiner Haut waren. 
So weich, das mein einziger Wunsch war, sie würden für immer da bleiben. 
Sie sind gegangen.
Meine Hände versuchen, sie wiederzufinden und greifen ins Nichts.
Und mit jedem Versuch hinterlasse ich mehr offene Wunden auf meiner leichenleeren Haut.  Die Striemen werden mit jedem Schritt tiefer, bis sie durchbrechen, irgendwann. Weil nach deinen Küssen diese Leere kam, die ich nicht kannte, oder die ich schon kannte, aber anders. Und nichts konnte diese Risse stillen, die sich seit dir durch meinen Körper ziehen.
Und nichts tat je wieder so weh, wie der Moment, in dem du deine Lippen von mir gelöst hast.
Und ich mich mit jedem Atemzug nur weiter von dir entfernte.
Ich ziehe geduldig neue Narben in meine Haut, die ich dort nicht haben will. Bis meine Beine ganz rot sind und an manchen Stellen noch dunkler. Bis ich brenne, überall. Und längst nicht nur dort, wo du warst.
Und als ich dann aufschrecke, weil meine Hand aufeinmal ganz nass ist, von dem Blut. Und meine Beine verschmiert. Und ich aufschrecke, weil ich es nicht bemerkt habe. Weil ich mich an das Brennen gewöhnt habe und an den Schmerz, nicht aber daran, dass du fehlst. Denn nach dir bin ich genauso verdörrt und gerissen, wie meine Haut jetzt. 
Du hast mich hungrig gemacht.
Und du hast keine Spuren hinterlassen.
Nur diese Leere.
Die nichts durchbrechen kann, außer dir.
Nichts außer dir.
Nichts.
Und nichts tat je wieder so weh, wie dieser eine Moment, als dein Mund mich allein ließ.
Und nichts von dir blieb.

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