Samstag, 18. Juni 2011

Ungelebtes.

Irgendwo schwimmen in mir noch ein paar Hoffnungen herum, ein paar Träume, ein paar Dinge, ein wenig Leben, eine Menge Ideen und so viele Wünsche.

Da gibt es manche, an denen ich mich versucht habe und aufgegeben habe, irgendwann. Manche zu früh und manche zu spät und um manche tat es mir am Ende nicht mal mehr leid.

Und andere, die so sehr an mir nagen, dass ich immer und immer wieder neue Wege einschlage, die zum Ziel führen, oder nicht. Die ich aber auch nicht einfach in Ruhe lassen kann, weil sie eine tiefliegende Sehnsucht sind, die mich vorantreiben. Die unweigerlich immer da sind, und dafür sorgen, dass ich immerzu warte und renne und stehen bleibe und weglaufe und suche und weitergehe, um anzukommen, irgendwann einmal. Bei denen ich manchmal weiß, wonach ich suche. Aber manchmal bin ich auch nur auf der Suche, nach etwas, das irgendwie besser ist oder wenigstens anders. Nach dem Gefühl irgendwann, irgendwo irgendwie anzukommen. Nach hause zu kommen.

Und dann gibt es da noch diese Träume, die ich mich nicht traue anzusehen. Und die ich, wenn sie unweigerlich aufblitzen, dann einfach schnell wieder wegschiebe. Weil es eben solche Träume gibt, die ich nicht haben möchte, weil ich weiß, dass der Weg dahin so schwer und vielleicht sogar unmöglich ist. Träume, an die ich lieber nicht mein Herz hängen möchte, aus Angst, es zu verlieren. Die einfach zu schön sind. Bei denen ich lieber erblinden möchte, um so zu tun, als gäbe es sie gar nicht. Um ihre Schönheit ignorieren zu können. Um so zu tun, als wäre da nicht dieser große Wunsch, dieser eine Gedanke, diese eine verzweifelte Hoffnung. Bei denen ich den Kopf so lange schüttele, bis sie hoffentlich herausfallen, eines schönen Tages.

Solche Träume, bei denen ich alles dafür geben würde, dass sie aus meinem Leben verschwinden. Die ich nicht versuchen kann, weil es zu sehr wehtun würde, zu scheitern. Weil ich scheitern würde. Weil ich Angst habe, was passiert, wenn es so wäre. 
Wovon würde ich träumen? Je wieder träumen können, wenn all meine Wünsche zerschlagen sind? Wenn ich alles aufgeben müsste, was ich mir immer gewünscht habe?

Solche Träume, die unaussprechlich sind, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Ohne damit alles offenzulegen. Ohne so viel preiszugeben und hinnehmen zu müssen, dass man doch eben ein kleines, verletzliches Wesen ist, mit viel zu hoch gesteckten Zielen. Weil ich nicht wissen will, was die anderen darüber denken. Weil ich nicht damit leben kann, dass es vielleicht nicht das Richtige sein könnte. 

Und so verbringe ich mein halbes Leben damit, Wünsche zu ignorieren, Träume zu negieren und in dem Versuch, blind und taub und gefühllos zu sein.

Weil ich diese Träume weder loslassen noch anpacken kann. Die mich nicht loslassen, egal wie sehr ich es mir wünsche, wie sehr ich wegrenne und mich verstecke. Wie oft ich mir auch Alternativen ausgedacht habe, die aber eben doch nie mehr waren als Ersatzlösungen und in Wirklichkeit weder Ersatz noch Lösung. Diese Träume gehen nicht.

Und ich bin zu feige, es zu versuchen.
Weil ich Angst habe. 
Ich will nicht scheitern, nicht schon wieder, nicht daran.
Ich will mir mein Leben nicht ohne diese Träume vorstellen. 
Ich will immer im Gedanken leben, dass ich es ja nur nie versucht habe. 

Ich will diese Türen und Fenster, die vielleicht in Wirklichkeit auch nur ein kleines Loch in der Wand sind, nicht schließen. Ich will hier weiter in meinem Gefängnis leben, in dem ich nur sitze und rausschauen kann, was da draußen wäre.  Ohne jemals vor die Tür zu gehen. Ohne einen einzigen Schritt zu wagen. Dieses Gefängnis, das ich mir selbst gebaut habe, dass wehtut und einsperrt. Und manchmal traue mich nicht einmal mehr, die Wände zu begutachten, aus Angst, da könnten noch mehr Fenster sein. Hinter denen es schön sein könnte. So schrecklich schön. Und unerreichbar. Ich will nicht scheitern. Ich will es nicht versuchen. Ich habe Angst.

Dabei sind die Türen unverschlossen. Nur meine Füße sind gefesselt. Und das Schlimme ist, dass ich das selber war. Dass ich mir meine eigenen Wünsche versage. Dass ich, selbst wenn ich könnte, nicht mutig genug wäre, um aufzustehen. Dass ich nicht mal genau weiß, ob ich aufstehen könnte, wenn ich es denn versuchen würde. Ob ich gehen könnte. Durchs Fenster entkommen könnte.  Ob hinter der Tür vielleicht etwas ist, dass auf mich wartet. Weil das alles zu schön wäre, zu schön, um daran zu scheitern.

Und so verbringe ich mein halbes Leben ungelebt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen